III. Die Reichsstadt (1254/72 bis 1806)

9. Niedergang im 17. und 18. Jahrhundert

Werner Schultheiß *

* Die historische Einleitung zu den Loseblattausgaben des Stadtrechts wurde 1939 ("Die geschichtliche Entwicklung des Nürnberger Ortsrechts"), 1957 und 1972 ("Geschichte des Nürnberger Ortsrechts", 1. und 2. Auflage) von Archivdirektor Dr. jur. Werner Schultheiß besorgt. Sie ist für die Internet-Ausgabe der Jahrtausendwende von Stadtrechtsdirektor Dr. jur. utr. Hartmut Frommer durchgesehen und im Teil IV (seit 1806) neu bearbeitet worden.



Die Periode 1648 – 1806 beinhaltet den langsamen und verschleierten Niedergang Nürnbergs. Als Machtfaktoren traten die Reichsstädte immer mehr zurück und wurden vom Kaiser in wirtschaftlichen und territorialen Streitfällen der Fürsten aufgeopfert, blieben aber nach wie vor ergiebige Finanzquelle des Reichs. Der Rat versuchte zunächst mit großen Anstrengungen, den angewachsenen Schuldenberg abzubauen. Doch bürdeten ab 1672 die Reichskriege mit Frankreich und den Türken neue schwere Lasten auf. Damals stellte der Fränkische Reichskreis ein stehendes Heer auf, zu dem Nürnberg eigene Regimenter beisteuern mußte.

Die drückenden Steuern und der Ausschluß der die Reichsstadt faktisch und wirtschaftlich tragenden Bürgerschaft vom Stadtregiment veranlaßten die Kaufmannschaft, schon 1730-1754 gegen den patrizischen Rat Klage am Reichshofrat, allerdings ohne Erfolg, zu erheben. 1786 ging die Bürgerschaft aufs neue gegen den Rat vor. 1792 berief deshalb der Rat ein "Ökonomieverbesserungskollegium". 1794 wurde durch den „Haupt- und Grundvertrag" dem "Kollegium der Genannten" eine entscheidende Mitwirkung u. a. in Finanzsachen eingeräumt. Durch eine kaiserliche "Subdelegationskommission" wurde ab 1797 die Behördengliederung vereinfacht, aber der finanzielle Verfall war nicht mehr aufzuhalten.


Der Grundvertrag von 1794

Unter solchen Umständen ist es verständlich, dass sich der Rat seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr zu größeren und prinzipiellen gesetzgeberischen Leistungen aufschwingen konnte. Wo sich Mißstände ergaben, wurde allerdings versucht, durch Erlaß neuer Einzelverordnungen und Revision älterer Vorschriften Abhilfe zu schaffen.

Bis zum Ende der Reichsstadt sind fast 2000 gedruckte Mandate erschienen. Aus wirtschaftspolitischen Rücksichten wurde u. a. das Ochsen- und Unschlittamt (1532 ff.), außerdem 1615 sogar ein Ober- und Appellationsgericht gegründet. Um der sozialen Not zu steuern, errichtete der Rat 1670 ein Zucht- und Werkhaus, 1769 ein Armen- und Arbeitshaus. Die Aufklärung setzte sich auch in Nürnberg durch: Die Tortur wurde seit Mitte des 18. Jahrhunderts nicht mehr angewandt. Am Ende des Jahrhunderts wurde die Reform der Gerichtsverfassung erwogen, aber keine grundsätzliche Besserung mehr erzielt.

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