Der Nürnberger Stadtrat hat in seiner nichtöffentlichen Sitzung am heutigen Mittwoch, 7. Mai 2025, über die diesjährigen Trägerinnen und Träger der Bürgermedaille 2025 der Stadt Nürnberg entschieden. Folgende Personen werden auf Vorschlag des Oberbürgermeisters Marcus König und der Fraktionen von CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke mit der zweithöchsten Auszeichnung der Stadt geehrt:
Peter Brandmann
Dr. Peter Küfner
Meral Akkent
Nanette Lehner
Dr. Helmut Sörgel
Die Verleihung der Bürgermedaillen findet in einer festlichen Sondersitzung des Stadtrats am Stadtgründungstag, Mittwoch, 16. Juli, statt.
Mit der Bürgermedaille der Stadt Nürnberg werden seit 1960 Nürnberger Bürgerinnen und Bürger geehrt, die sich besondere Verdienste um die Stadt Nürnberg erworben haben. Die Bürgermedaille ist aus Gold und hat die Form einer Münze. Auf der Vorderseite ist das große Stadtwappen mit der Umschrift „Stadt Nürnberg“ eingeprägt, auf der Rückseite der Name der oder des Geehrten mit den Worten „Für hervorragende Verdienste“. Bislang wurden 227 Personen mit der Bürgermedaille ausgezeichnet.
Im Folgenden redaktionell bearbeitete Auszüge aus den Begründungen der Vorschläge für 2025:
Peter Brandmann
Er ist der „Mister THW“ von Nürnberg. Seit 45 Jahren engagiert sich Peter Brandmann ehrenamtlich bei der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW). Seit 1991 führt er den Ortsverband. Einen der größten in Deutschland. Peter Brandmann muss einfach immer helfen. „Ich könnte nicht anders!“, sagt er über sich selbst. Sein Ding ist der Dienst an der Gemeinschaft. Die meisten kennen ihn in seinem blauen Dienstpullover oder der Uniform. Er ist, auch mit 66 Jahren, noch immer mit Leib und Seele dabei.
Am 11. September – ja, ein denkwürdiges Datum für einen Katastrophenschützer – kommt Peter Brandmann 1959 in Nürnberg zur Welt. Er besucht die Hegelschule, wechselt über das Scharrer-Gymnasium an die Peter-Vischer-Realschule und macht dort seine Mittlere Reife. Auf die zwei Jahre an der Fachoberschule und das Fachabitur folgt eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei einem bayerischen Privatbankhaus. 1983 bis 1986 studiert Peter Brandmann berufsbegleitend an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Betriebswirtschaft. Es folgen bis 1992 Stationen bei mehreren Banken in der Region. 1993 dann erkennt die Nürnberger Versicherung seine Fähigkeiten. Hier bleibt er, bis sich Peter Brandmann 2007 selbstständig macht. Mit einer Ausbildungs- und Beratungsfirma, die er noch heute leitet.
Überhaupt: Er hört einfach nicht auf, sich weiterzubilden in seinem langjährigen Berufsleben. Sei es sein Zusatzstudium zum Krisen- und Katastrophenmanagement 2021 und 2022 an der Allensbach-Universität, die Zusatzausbildung zum Datenschutzbeauftragten oder zum Experten für Veranstaltungssicherheit oder – ganz aktuell – zu den künftigen Anforderungen an das THW, das bis 2030 „zivilschutzfähig“ sein muss angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage.
Aber wie ist Peter Brandmann eigentlich zum Technischen Hilfswerk gekommen? Was hat den verheirateten Familienvater von zwei erwachsenen Söhnen – die übrigens auch beim THW sind – zum Katastrophenschützer gemacht?
Eigentlich hat er 1980 bereits seine Einberufung zur Bundeswehr in der Tasche. Da fragt ihn ein Bankkollege, ob er sich vorstellen könnte, Wehrersatzdienst zu leisten. Und zwar beim Amt für Katastrophenschutz der Stadt Nürnberg. Peter Brandmann gefällt die Idee, er verpflichtet sich für 12 Jahre, tritt viele Samstage im Jahr seinen Wehrersatzdienst an, wie es damals noch heißt. Sitz der Katastrophenschützer: in der Kongresshalle. Schnell erkennt man seine Berufung. Es folgen Führungslehrgänge im Bereich des Zivilen Bevölkerungsschutzes. Ein Thema, das leider wieder aktueller denn je ist.
1984 wird der Katastrophenschutz beziehungsweise der Bergungsdienst an das THW übergeben. Zu der Zeit gab es noch zwei Ortsgruppen: Nord und Süd, in letzterer war Peter Brandmann. Die Nord-Gruppe war viel älter, weshalb das THW Nürnberg heuer sein 75-jähriges Bestehen feiert. Peter Brandmann bekommt den Auftrag, die beiden Gruppen zusammenzuführen. 1991 übernimmt er den Posten des Ortsbeauftragten, den er am Ende des Jahres an seinen Nachfolger übergibt.
Seit 2004 ist das THW im Tilly-Park beheimatet. Rund 200 Helferinnen und Helfer gehören dazu. Peter Brandmanns Fähigkeiten und Erfahrung sind immer wieder gefragt. Sei es 2002 bei der Elbflut, 2005 und 2006 beim Confederations Cup und bei der Fußball Weltmeisterschaft; ab 2020 nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie bei diversen Einsätzen für die Stadt Nürnberg vor allem im Bereich Impfzentren; dann bei der Organisation der Anlaufstelle für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine; oder als Fachberater für den Deutschen Evangelischen Kirchentag 2023 in Nürnberg. Aktuell hilft sein fundiertes Wissen beim Schutz von Großveranstaltungen vom Christkindlesmarkt bis zum Bardentreffen. „Man braucht ein wahnsinniges Talent zur Improvisation bei unseren Aufgaben“, sagt der THW-Chef. Und jemand, der oder die einem den Rücken freihält für das vielfältige Engagement. Sein Dank gilt daher besonders seiner Ehefrau.
Peter Brandmann ist aus der Nürnberger Sicherheits- und Blaulichtfamilie nicht wegzudenken. Auch wenn er Ende des Jahres beim THW kürzertritt: Er wird weiter sehr präsent sein. Auf jeden Fall bei seinem geliebten Norisring Rennen und dem MCN, dem Motorsport Club Nürnberg. Als Streckenposten hat der Motorsportfan einst angefangen, mittlerweile ist er Finanzvorstand im Verein und Geschäftsführer der ausgegründeten GmbH, die das Rennen veranstaltet. Er kann eben nicht anders – als sich in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen.
Die Stadt Nürnberg verleiht Peter Brandmann in Würdigung seiner Verdienste für die Stadt Nürnberg die Bürgermedaille.
Dr. Peter Küfner
Dr. Peter Küfner wurde am 14. April 1944 in Seeshaupt geboren und zog mit seiner Familie schon im Alter von zwei Jahren nach Nürnberg. Er studierte Jura und wurde 1971 an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg in diesem Fach promoviert. Bis 2009 praktizierte er als Rechtsanwalt in Nürnberg.
Als Enkel von Ernst Frenzel, einem der beiden Firmengründer von Richter+Frenzel, setzte er sich als am Unternehmen beteiligter Partner maßgeblich und mit Erfolg für das bereits 1895 in Nürnberg gegründete Unternehmen ein. So konnte nicht nur der Verbleib des Unternehmens in unserer Stadt sichergestellt, sondern im Jahr 2024 auch die größte Investition der Firmengeschichte an diesem Standort getätigt werden.
Das Familienunternehmen ist Beispiel wie Vorbild für erfolgreiche und von Tradition und Werten geleitete Firmenpolitik. Mit seiner außergewöhnlichen Auszubildendenquote von 10 Prozent schafft Richter+Frenzel die Grundlage für eine hohe Identifikation seiner Mitarbeitenden mit dem Unternehmen und eine wertschätzende Unternehmenskultur.
Neben seinen wirtschaftlichen Verdiensten um Nürnberg und die Region ist allem voran sein spartenübergreifendes und herausragendes Wirken als Mäzen für Kunst und Kultur hervorzuheben. Dr. Peter Küfner ist seit 1994 Förderer im Verein „Die Freunde der Staatsoper Nürnberg e. V.“, Gründungsmitglied des Vereins „Opera Viva e. V.“, Förderer des Internationalen Kammermusik-Festivals wie auch Mäzen der Bayreuther Festspiele. Zahlreiche Musiktheaterproduktionen, der vom Staatstheater Nürnberg ins Leben gerufene Internationale Gesangswettbewerb „Die Meistersinger von Nürnberg“, aber auch Akteure der Freien Szenen wurden von Dr. Peter Küfner umfangreich unterstützt. Seit 2024 ist er zudem beratendes Mitglied der Opernhaus-Kommission des Nürnberger Stadtrats und begleitet engagiert dieses einzigartige Kulturbauprojekt.
Bereits seit 1977 ist Dr. Peter Küfner Mitglied der Altstadtfreunde und setzte sich maßgeblich für die Realisierung zahlreicher Projekte des Vereins ein. So wurden unter seiner Federführung die Verhandlungen mit dem damaligen Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly und Stadtrechtsdirektor Hartmut Frommer mit dem „Pellerhof-Vertrag“ erfolgreich abgeschlossen und damit die Grundlage für die Rekonstruktion gelegt. Mit Spenden in bedeutender Höhe wirkte er schließlich entscheidend an der Wiederherstellung des Pellerhofs, der Restaurierung des Pilatushauses sowie des alten Rathaussaals mit und unterstützt ebenfalls maßgeblich die Rekonstruktion des historischen Turms des Volksbads.
Noch länger als seine Verbundenheit zu den Altstadtfreunden währt seine Verbindung mit dem 1. FC Nürnberg. Seit 64 Jahren ist Dr. Peter Küfner Mitglied des Vereins. Als aktiver Leichtathlet von 1961 bis 1965 nahm er für Nürnberg an der Deutschen Mannschaftmeisterschaft teil. Von 1966 bis 1975 spielte er in der Amateur-Fußballmannschaft des 1. FCN. Für über 20 Jahre war er schließlich von 1999 bis 2020 Vorsitzender des Vereins-Schiedsgerichts und wurde dafür 2021 mit dem Ehrenamtspreis ausgezeichnet.
Nicht zuletzt für die internationalen Beziehungen unserer Stadt hat sich Dr. Peter Küfner erfolgreich engagiert. Die ursprünglich 1954 besiegelte „Verbrüderung“ mit der Stadt Venedig lag über viele Jahrzehnte brach. Erst Ende der 1990er-Jahre, nach einem Besuch des damaligen Oberbürgermeisters Ludwig Scholz in der Lagunenstadt, sollte die Verbindung wiederaufleben. Die Kultur war es, die die beiden Städte wieder zueinander brachte. Ein sichtbares Zeichen hierfür stellt die prächtige venezianische Gondel dar, die im Nürnberger Rathaus Brautpaaren eine stimmungsvolle Kulisse bietet.
Dr. Peter Küfner zeichnete durch sein mäzenatisches Handeln für den Wiederaufbau des weltberühmten Opernhauses „La Fenice“ mitverantwortlich für die Wiederbelebung dieser Städtepartnerschaft im Jahr 1999. Die ihm von den venezianischen Gondolieri als Dankeschön gestiftete prächtige Gondel steht dafür sinnbildlich im Rathaus Hauptmarkt 18.
Kunst und Kultur stehen zusammen mit der historischen Nürnberger Kaufmannschaft für die reiche Geschichte unserer Stadt. Sie prägen ihre Vergangenheit, die Gegenwart und werden auch in der Zukunft untrennbar mit Nürnberg verbunden sein. Als „Kaufmann“, der sein Leben der Förderung von Kunst und Kultur verschrieben hat, hat auch Dr. Peter Küfner sein Engagement und sein Wirken an vielen markanten Stellen – vom Pellerhaus bis zum Volksbadturm – untrennbar mit unserer Stadt verbunden.
Die Stadt Nürnberg verleiht Dr. Peter Küfner in Würdigung seiner Verdienste für die Stadt Nürnberg die Bürgermedaille.
Meral Akkent
Meral Akkent wurde am 5. Mai 1949 in Istanbul geboren. Nach dem Studium der Soziologie, Sozialanthropologie, Ethnologie und Bibliothekswissenschaften an der Universität Istanbul kam sie 1973 als junge Arbeitsmigrantin nach Nürnberg. Was als persönliche Herausforderung begann, wurde zum Ausgangspunkt eines Lebens im Dienst der Gemeinschaft. Aus einem tiefen persönlichen Anliegen heraus – zu einem lebenslangen Einsatz für soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und Geschlechtergleichstellung. Nach ersten Jahren in der Industrie arbeitete sie unter anderem beim Kulturamt Fürth und bei der Lebenshilfe e. V. – immer mit dem Ziel, gesellschaftliche Teilhabe für Menschen mit Migrationsgeschichte zu fördern. Früh entwickelte sie Konzepte für interkulturelle Bildungsarbeit, insbesondere im Bereich von Familie, Jugend und Frauenförderung.
Seit den 1980er-Jahren ist Meral Akkent als Projektleiterin, Referentin, Kuratorin und Autorin aktiv. Sie war Mitgründerin zahlreicher Institutionen, die bis heute wirksam sind: das Internationale Frauen- und Mädchenzentrum Nürnberg, der Verein Frauen in der Einen Welt, das Museum Frauenkultur Regional – International in Fürth, das Women’s Museum Istanbul und das Istanbul Gender Museum. Darüber hinaus realisierte sie Bildungs- und Forschungsprojekte in Kasachstan, der Ukraine, der Türkei und Deutschland – oft grenzübergreifend, stets mit lokalem Bezug. Ihre Arbeit spiegelt sich auch in zahlreichen Veröffentlichungen zu interkultureller Pädagogik, feministischer Erinnerungskultur und Genderfragen wider.
Hinter diesem Lebenslauf steht weit mehr als eine beeindruckende Liste beruflicher Stationen – es ist die Geschichte einer Frau, die ihr eigenes Ankommen in gelebte Solidarität verwandelt hat. Wenn man in Nürnberg über Integration, über Empowerment von Frauen – also ihre Stärkung, Ermutigung zur Selbstbestimmung und aktive gesellschaftliche Teilhabe – und über interkulturellen Dialog spricht, dann fällt unweigerlich ein Name: Meral Akkent.
Seit über fünf Jahrzehnten setzt Meral Akkent sich mit unermüdlichem Engagement für diejenigen ein, deren Stimmen oft überhört werden – vor allem für Frauen mit Migrationsgeschichte. Der Weg von Meral Akkent von der Arbeiterin zur wegweisenden Forscherin, Netzwerkerin, Publizistin und Museumsgründerin ist nicht nur beeindruckend – er ist inspirierend. Geprägt von den eigenen Erfahrungen als junge Frau in einem fremden Land wusste sie, wie viel Mut, Orientierung und Unterstützung es braucht, um sich in der neuen Gesellschaft zurechtzufinden. Aus diesem Erleben heraus begann sie, insbesondere Frauen mit Migrationserfahrung zu stärken – nicht stellvertretend, sondern gemeinsam mit ihnen.
Ob im Internationalen Frauen- und Mädchenzentrum in der Denisstraße, bei Frauen in der Einen Welt, im Museum Frauenkultur Regional – International in Fürth, im Women’s Museum Istanbul oder im heutigen Istanbul Gender Museum – Meral Akkent hat Räume geschaffen. Räume, in denen Frauen lernen, sich austauschen, ihre Erfahrungen teilen und einander stärken können. Doch sie hat nicht nur Orte geschaffen – sie hat Netzwerke geknüpft: transnationale, interkulturelle, feministische Allianzen, in denen Wissen geteilt, Stimmen gehört und neue Wege gegangen werden.
Teilhabe, Gerechtigkeit, Gender, Erinnerungskultur und Frieden – das waren die zentralen Themen, die Meral Akkent bewegten. Sie sagt: „Alle meine Arbeiten verbinden Länder, Städte und überbrücken sprachliche sowie kulturelle Grenzen und fördern den Dialog. Heute, über 52 Jahre nach meiner Ankunft in Nürnberg, sehe ich eine Stadt, die sich viel verändert hat und weiterhin im Wandel ist. Die jüngsten Wahlen haben gezeigt, dass es sowohl Hoffnungen als auch Ängste in der Gesellschaft gibt. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, den Dialog aufrechtzuerhalten, Vorurteile abzubauen und eine inklusive Gesellschaft zu fördern, in der jeder, unabhängig von Herkunft oder Geschlecht, seinen menschenwürdigen Platz findet.“
Neben ihrer praktischen Arbeit veröffentlichte Meral Akkent eine Vielzahl wissenschaftlicher und publizistischer Beiträge. Sie schrieb über die Herausforderungen von Mädchen in migrantischen Familien, über interkulturelle Pädagogik, über Frauenmuseen als Orte der Erinnerung und Veränderung. Ihre Stimme ist nicht nur in der Stadtgesellschaft, sondern auch in der internationalen Forschung präsent – stets mit klarem Anliegen.
Meral Akkent hat Generationen von Frauen ermutigt, ihren Weg zu gehen. Sie hat unermüdlich daran gearbeitet, dass aus „den Anderen“ Mitgestalterinnen werden – Frauen, die ihre Stimme finden, sich einbringen und ihre Zukunft selbst gestalten. Durch ihr Lebenswerk hat sie Nürnberg geprägt – als Stadt des Dialogs, der Offenheit und der gegenseitigen Solidarität. In einer Stadt, die sich als Stadt der Menschenrechte versteht, ist Meral Akkent eine ihrer leisen, aber klaren Stimmen – unermüdlich, verbindend, mutig.
Die Stadt Nürnberg verleiht Meral Akkent in Würdigung ihrer Verdienste für die Stadt Nürnberg die Bürgermedaille.
Nanette Lehner
Nanette Lehner wurde am 20. September 1953 in Buxtehude geboren. Als Tochter eines Erfinders war sie bis zu ihrem Studium viel unterwegs. Denn mit jeder Erfindung ihres Vaters ist die Familie umgezogen. Mit ihrem Entschluss, Forstwirtschaft in München und Freiburg zu studieren, setzte sie nicht nur die Familientradition fort, sondern musste sich als einzige Frau auch gegen Vorurteile durchsetzen und sich ihren Platz hart erkämpfen. Sie solle doch lieber Forstmeister produzieren, als selbst einer werden zu wollen, so ihr Münchner Professor.
Nach ihrem Studium in Freiburg entschloss sich Nanette Lehner dazu, ihr Referendariat in Bayern zu absolvieren. Doch auch hierfür musste sie kämpfen. Denn laut einer Verordnung aus dem 19. Jahrhundert fehle es ihr an körperlicher Größe und einem ausreichenden Brustumfang. Somit sei sie ungeeignet. Sie habe sich ins Referendariat „reinprozessiert“, wie sie sagt. Nach ihrem Studium wurde sie freiberufliche Forstsachverständige und erfuhr viel Unterstützung – vor allem von ihren männlichen Kollegen: „Es war gut, dass ich durchgehalten habe“, sagt die 71-Jährige.
Durchgehalten hat sie auch die erste Zeit in Nürnberg. 1981 zog sie in die Stadt, in der sie wegen ihrer Geschichte als Stadt der Reichsparteitage nicht wohnen wollte. Die Schönheit und die Freundlichkeit der Menschen haben ihr gefallen, die fehlenden Bäume jedoch nicht. Dies war ausschlaggebend dafür, dass sie 1983 der Naturschutzwacht beigetreten ist. Anfangs waren sie zu neunt und „zu euphorisch“, wie sie sagt.
Statt Rentnern und Hausfrauen, die die Stadt angesprochen hat, war die „geballte Ladung Naturschutz“ vertreten – nicht weniger als mit dem Anspruch, Nürnberg grün zu machen. Der Erfolg stellte sich leider weniger schnell als erhofft ein und die Gruppe wurde rasch kleiner. Nanette Lehner ist bis heute dabei – obwohl auch sie schon manches Mal ans Aufgeben dachte.
Aber: „Aufgeben gilt nicht!“ Dieser Satz ihrer Großmutter, die im Widerstand gegen die NS-Diktatur war, ist auch Nanette Lehners Lebensmotto. Denn der Wandel zu mehr Bäumen und Spielplätzen ging und geht nur langsam voran. Daher fasste sie den Entschluss, bei den Kleinen anzufangen, um ihnen ein Bewusstsein für die Natur zu vermitteln. Beim Walderlebniszentrum Tennenlohe hat sie viele Kinder durch den Wald geführt, viele Fragen beantwortet und sich – vor allem in den vergangenen Jahren – immer mehr über das schwindende Verständnis für und das Wissen über die Natur gewundert. Die vielen schönen Erlebnisse sind es, die ihr auch nach vielen Jahren als Naturschutzwächterin die Kraft geben, weiterzumachen. Ein Erlebnis hat sie noch heute vor Augen: das förmlich spürbare Wohlbefinden von traumatisierten syrischen Kindern bei einer Führung durch den Wald. Dieses ging so weit, dass die jungen Menschen den Wald nicht mehr verlassen wollten.
Es sind auch diese positiven Erlebnisse, die sie vom Aufgeben abhalten. Denn als Naturschutzwächterin muss sie sich oftmals Ungeheuerliches anhören. Ihr begegnen Unverständnis und unfreundliches Verhalten, ebenso sei auch der Umgang mit der Natur zuweilen gedanken- und achtlos.
Aufgeben ist also keine Option für Nanette Lehner. Auch wenn die Widrigkeiten zunehmen. Dabei sieht sich weniger als „grüner Sheriff“ denn als eine Frau, die auf Menschen zugeht, sie bei Fehlverhalten auf dieses hinweist und bei vorbildlichem Benehmen lobt. Nanette Lehner wünscht sich mehr Bewusstsein für die Natur, aber auch mehr Bereitschaft dafür, sich zu informieren und das eigene Handeln zu überdenken.
Die Natur ist ihr Antrieb: Seit über vierzig Jahren sucht sie die gleichen Brutplätze auf und ist erleichtert, die gelbe Gebirgsbachstelze und den Eisvogel wieder brüten zu sehen, sie weiß, wo der Kamm-Molch sein schönstes Plätzchen findet. Seit über vierzig Jahren setzt sie sich für die Natur und deren Schutz ein, wirkt positiv auf Menschen ein und gibt nicht auf, obwohl sie sieht, wie sich die Natur verändert, zum Teil auch unwiederbringlich verschwindet.
Die Stadt Nürnberg verleiht Nanette Lehner in Würdigung ihrer Verdienste für die Stadt Nürnberg die Bürgermedaille.
Dr. Helmut Sörgel
Dr. Helmut Sörgel kam am 24. Februar 1943 im Luftschutzkeller des Städtischen Klinikums Nürnberg zur Welt – ein Kind, das buchstäblich im Bombenhagel geboren wurde. Dieser Beginn prägt sein Lebenswerk: die entschiedene Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, den Gräueln der Euthanasieverbrechen und die Mahnung für Frieden und Menschenrechte.
Nach dem Abitur und dem Medizinstudium in Erlangen und Heidelberg sowie der Medizinalassistentenzeit in Neuendettelsau führte ihn seine Facharztausbildung für Psychiatrie und Neurologie ab 1973 wieder nach Nürnberg, wo er unter schwierigen Bedingungen in der städtischen Nervenklinik arbeitete. Dort wandte er sich als junger Assistenzarzt gegen überkommene Praktiken wie Elektroschocktherapien und setzte sich für eine menschenwürdige und lebensnahe Psychiatrie ein. Er holte die Patientinnen und Patienten aus den Wachsälen, führte erste Reformelemente wie innovative Morgengruppen und Teambesprechungen ein und engagierte sich in der mittelfränkischen Umsetzung der bundesweiten Psychiatriereform. Statt entmündigender Behandlungsformen setzte er sich mit der Arbeitsgruppe Gesundheitspolitik für wohnortnahe, niedrigschwellige psychiatrische Therapieangebote ein.
Nach einer weiteren Facharztausbildung für psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Niedersächsischen Landeskrankenhaus Tiefenbrunn und in Bamberg ließ sich Dr. Helmut Sörgel 1981 in Nürnberg als Kassenarzt im damals verschrienen Stadtteil Schweinau nieder. Über 42 Jahre war seine Praxis ein Leuchtturm sozialpsychiatrischer und psychotherapeutischer Versorgung für Menschen, die infolge der Deindustrialisierung ihre Arbeit verloren hatten, für Geflüchtete, für Sinti und Roma sowie für Bewohnerinnen und Bewohner benachteiligter Stadtteile. Er prägte mit dem kurzen und prägnanten Satz „Schlechte Arbeitsbedingungen machen krank“ das Selbstverständnis der psychiatrischen Versorgung vor Ort und trug immer wieder dazu bei, dass seelische Gesundheit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen wird.
Ein Projekt seiner praktischen Arbeit war die Gründung des Inklusionsvereins Chancen e. V., welcher das Ziel verfolgt, Arbeitsplätze für Menschen mit seelischer Erkrankung und/oder Schwerbehinderung in Nürnberg zu schaffen. „Gutes Arbeiten ist besser als Krankenhausbehandlung!“ ist das Motto, nach dem die Betroffenen ihr Arbeitsleben gestalten. Heute gehört Chancen e. V. zur Stadtmission Nürnberg und betreibt gastronomische Betriebe, Betriebskantinen – etwa im Nürnberger Rathaus – sowie einen hochwertigen Catering-Service. Berufspolitisch vertrat Dr. Helmut Sörgel als Nürnberger Delegierter in der Bayerischen Landesärztekammer in den 1980er-Jahren die Positionen der damaligen Gesundheitsreformbewegung und der Friedensbewegung.
Sein Engagement reichte jedoch weit über seine ärztliche Tätigkeit hinaus. Seit der Gründung der Nürnberger Regionalgruppe der ärztlichen Friedensorganisation IPPNW (Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzt*innen in sozialer Verantwortung) gestaltete Dr. Helmut Sörgel als Vorsitzender und später als Schatzmeister 25 Jahre aktiv und verantwortlich die Arbeit der Gruppe mit. Besonders hervorzuheben ist dabei die Kongressreihe „Medizin und Gewissen“, die 50 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess ins Leben gerufen wurde und ein Licht auf die unsäglichen Verbrechen der vorherigen Ärztegenerationen warf.
Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit für die IPPNW war die Erinnerungskultur in unserer Stadt. Dr. Helmut Sörgel organisierte bislang unveröffentlichte Farbfotografien des US-Pressefotografen Ray D‘Addario vom Nürnberger Ärzteprozess und kuratierte sie für den 11. Weltkongress für Psychiatrie. Heute sind sie im Memorium Nürnberger Prozesse und im Institut für Geschichte und Ethik der Medizin in Erlangen zu sehen. Ebenso war er mitverantwortlich für die Renaissance der Wirkungsgeschichte der Psychiaterin Dr. Alice Ricciardi von Platen, der Euthanasie-Zeitzeugin und Protokollantin des Nürnberger Ärzteprozesses, die zu den Kongressen nach Nürnberg zurückgekehrt war. Mit den Oratorien „Kohlenmonoxyd.Nachtstück“ und „Kodex“ initiierte er zeitgenössische musikalische Mahnmale in Gedenken an die ermordeten psychisch Kranken sowie an den Nürnberger Kodex, eine fundamentale Menschenrechtserklärung in der Medizin, formuliert am Ende des Nürnberger Ärzteprozesses. Schließlich sei noch zu erwähnen, dass Dr. Helmut Sörgel die bewegende Autobiografie von Kurt Aufochs „Nürnberg Afrika und zurück“ mit herausgegeben hat.
Dr. Helmut Sörgel hat sich mit seinem unermüdlichen Einsatz für Gesundheit, Solidarität und historische Verantwortung um die Nürnberger Stadtgesellschaft verdient gemacht.
Die Stadt Nürnberg verleiht Dr. Helmut Sörgel in Würdigung seiner Verdienste für die Stadt Nürnberg die Bürgermedaille.