Nr. 704 / 24.06.2025
Die Lage auf dem Markt für Alttextilien und Altkleider spitzt sich weiter zu. Die Nachfrage nach Altkleidung sinkt national und international deutlich, ein massiver Preisverfall und Absatzschwierigkeiten sind die Folge. Hinzu kommt, dass die Qualität der eingesammelten Textilien stark abgenommen hat und immer größere Anteile nur noch als Müll entsorgt werden können. Diese Entwicklungen treffen die in Nürnberg seit Jahrzehnten etablierte Sammel- und Verwertungsstruktur für Altkleidung hart. Es wird künftig nicht mehr möglich sein, überall in der Stadt flächendeckend den Service von Altkleidercontainern anzubieten. Mit Schwerpunkt in der Süd- und Südweststadt müssen etwa 20 Prozent der 540 Containerstandorte in Nürnberg aufgelöst werden. Zur Abgabe gut erhaltener Kleidung wird an allen sechs Wertstoffhöfen ein neues Thekenmodell eingeführt. Zudem ist ein Pilotprojekt mit mobilen Sammelstellen in der Süd- und Weststadt geplant. Stark verschmutzte oder kaputte Textilien, die nicht verwertet werden können, gehören weiterhin in den Restmüll. Die betroffenen Container werden im Vorfeld mit Aufklebern markiert und die Bürgerinnen und Bürger damit über alternative Entsorgungswege informiert.
In Nürnberg ist das Bayerische Rote Kreuz (BRK) der Hauptakteur bei der Altkleidersammlung. Das BRK Nürnberg unterhält rund 600 Altkleidercontainer an 540 Standorten im öffentlichen Raum. Zudem nimmt das BRK an den Wertstoffhöfen als Auftragnehmer des Abfallwirtschaftsbetriebs Stadt Nürnberg (ASN) die Alttextilien entgegen. Insgesamt sammelt das BRK jährlich etwa 2 550 Tonnen Altkleidung, davon rund 150 Tonnen an den Wertstoffhöfen und den Rest über die Container im öffentlichen Raum. Etwa zwölf Prozent, das sind 300 Tonnen, der Kleidung wird vom BRK selbst sortiert. Der Rest sowie Sortierabfälle gehen an gewerbliche Sortierbetriebe zur weiteren Verwertung. Gewinne aus dem Verkauf werden für die Erfüllung satzungsgemäßer Aufgaben verwendet, diese umfassen zum Beispiel Hilfen für Senioren oder Menschen mit Behinderung, den Katastrophenschutz sowie die Kinder- und Jugendarbeit.
Etwa 50 Tonnen Kleidung werden jährlich in BRK-Second-Hand-Läden an die Nürnberger Bevölkerung verkauft. Die Altkleidersammlung des BRK ist ein bewährtes System, das soziale und ökologische Ziele verfolgt, sich jedoch aber wirtschaftlich tragen muss. Derzeit wird eine Vermarktung der eingesammelten Textilien immer schwieriger und an den Altkleidercontainern landen zudem immer häufiger verschmutzte, nasse oder mit Müll vermischte Spenden daneben oder unsachgemäß darin. Solche unbrauchbaren Inhalte werden als Müll entsorgt. Angesicht dieser Entwicklungen haben die Verantwortlichen des BRK entschieden, ab Ende Juni rund 110 Altkleidercontainer an 100 Standplätzen abzubauen. Die Container befinden sich insbesondere in den westlichen und südlichen Stadtteilen. Die BRK beobachtet die Situation genau und kann bei einer Verschlechterung nicht ausschließen, dass zukünftig Container in weiteren Stadtteilen abgebaut werden müssen.
„Um die Qualität der gesammelten Kleidung zu sichern, haben wir gemeinsam mit dem BRK an allen sechs Wertstoffhöfen das sogenannte Thekenmodell eingeführt. Unser Ziel ist es, die eingeführten Wege für tragbare und gute Kleidung, also die ‚Sahnestücke‘, zu erhalten. In den Wertstoffhöfen können die Bürgerinnen und Bürger ihre gebrauchte Kleidung sortieren“, erklärt Britta Walthelm, Referentin für Umwelt und Gesundheit sowie Erste Werkleiterin des ASN. Durch das Sortieren kann qualitativ bessere Altkleidung über etablierte Absatz- und Verwendungswege gesichert werden. „Das BRK Nürnberg ist seit vielen Jahrzehnten in der Altkleidersammlung tätig. Der momentanen sehr dynamischen Lage in diesem Sektor mit Qualitätsproblemen und stark schwindenden Abnahmemöglichkeiten, versuchen wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln entgegenzuwirken. Wir gehen davon aus, dass unsere geplanten Maßnahmen bestehen werden und hoffen auf die Unterstützung und Verständnis durch die Nürnberger Bevölkerung“, erläutert Hermann Guth, Vorstandsvorsitzender des BRK Nürnberg. Um brauchbare Alttextilien von Unbrauchbaren zu trennen, setzt das BRK auf erweiterte Öffnungszeiten bei der Kleidersortierung in der Sulzbacher Straße 42 – künftig auch bis zum frühen Abend und samstags. Geplant ist zudem ein Pilotprojekt mit mobilen Sammelstellen in der Süd- und Weststadt. Zu festen Zeiten könnten Bürgerinnen und Bürger ihre gebrauchte Kleidung direkt an Mitarbeitende des BRK übergeben. Die Bekanntgabe der Orte und Zeiten erfolgt nach Abschluss der Planungen über die Social-Media-Kanäle und der Homepage des BRK sowie auch der Homepage der Stadt Nürnberg.
Textilien, die „nicht mehr gut“ zu gebrauchen sind, werden zusammen mit dem Sperrmüll in der Müllverbrennungsanlage (MVA) entsorgt. Der zunehmende Müll wie auch die hohe Menge unbrauchbarer Textilien in den Altkleidercontainern führen auch zu steigenden Entsorgungskosten. „Und jetzt kommt es auf den Bürger an. Bitte keinen Müll in die Container werfen. Bitte vermeiden Sie die Müllberge auf den Stellplätzen und halten Sie die Stellplätze sauber. Gut erhaltene und verwendbare Kleidung können Sie in die Container einwerfen beziehungsweise zu den Abgabestellen bringen. Unbrauchbares gehört in den Müll. Die Kleidersammlung lebt von der Wiederverwendung“, appelliert Helmut Huber, Abteilungsleiter Gebrauchtwaren und Wertstoffe des BRK Nürnberg, an die Nürnberger Bevölkerung.
Bisher fand ein großer Teil der Altkleidung seinen Weg nach Osteuropa, in den Nahen Osten und nach Afrika. Diese Märkte sind jetzt aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, zahlreicher anderer Konflikte und Krisen sowie des „Fast-Fashion-Trends“, der billige Neuware unterhalb des Preises von Second-Hand-Textilien anbietet, stark eingeschränkt. Bis Ende 2024 sank der Marktpreis der Altkleider um mehr als 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dieser Trend setzte sich auch in 2025 fort.
Unter dem Stichwort Thrifting gibt es jedoch auch einen bundesweiten Trend, Gebrauchtkleidung zu tragen, um sparsam mit Ressourcen umzugehen. Nürnberg ist mit einer Ladendichte von 25 Second-Hand-Läden pro 100 000 Einwohnende deutschlandweit Spitzenreiterin in diesem Bereich. Einen Überblick über die Second-Hand-Läden in Nürnberg und Mittelfranken bietet der Second-Hand-Guide unter secondhandguide.org.
Nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) kaufen deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher im Schnitt 60 Kleidungsstücke pro Jahr. Zwölf davon, also jedes fünfte Kleidungsstück, werden so gut wie nie getragen. Während es früher jährlich zwei Modekollektionen gab, wechselt das Angebot heute innerhalb von Wochen oder sogar Tagen. Durch diesen Trend der „Fast Fashion“ steigt der Energie- und Rohstoffverbrauch in der Textilbranche stark. Gleichzeitig sinken die Qualität und die Nutzungsdauer der Textilien – und es entstehen immer größere Mengen an Textilabfällen. Nach vorläufigen Ergebnissen wurden bereits im Jahr 2023 rund 175 000 Tonnen Textil- und Bekleidungsabfälle von privaten Haushalten in Deutschland von überwiegend öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern eingesammelt, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Umgerechnet auf die Zahl der Bevölkerung Ende 2023 entsprach das rund zwei Kilogramm pro Kopf – ohne die Alttextilien, die über die Restmülltonne entsorgt wurden. Insgesamt waren das 55 Prozent mehr Textil- und Bekleidungsabfälle als zehn Jahre zuvor: 2013 betrug das Aufkommen rund 112 700 Tonnen. Den Spitzenwert der vergangenen zehn Jahre gab es im Corona-Jahr 2020 mit rund 187 000 Tonnen.
Die am 1. Januar 2025 in Kraft getretene EU-Richtlinie zur Getrenntsammlung von Alttextilien zielt darauf ab, möglichst alle verwertbaren Alttextilien außerhalb der Restmüllsammlung zu erfassen. Unbrauchbare Textilien sollen jedoch nicht in die Altkleidercontainer. Dies hat zu einer Verunsicherung auf Seiten der Verbraucherinnen und Verbraucher geführt. Stark verschmutzte oder kaputte Textilien, die als sogenannter Textilmüll nicht verwertet werden können, gehören weiterhin in den Restmüll, während gut erhaltene Kleidungsstücke zur Wiederverwendung in die Altkleidersammlung gegeben werden sollten. let