Markenzeichen der Stadt Nürnberg

Nachrichten aus dem Rathaus

Nr. 1086 / 08.10.2025

Offener Brief zur Versammlungslage an der Straße der Menschenrechte am 27. September 2025 - Antwortschreiben des Oberbürgermeisters

Sehr geehrter Herr Doll,
sehr geehrter Herr Weidemann,

ich habe Ihren oben genannten offenen Brief vom Dienstag, 7. Oktober 2025, erhalten, der sich kritisch mit der Versammlung an der Straße der Menschenrechte am Samstag, 27. September 2025, beschäftigt. Natürlich teile ich die Besorgnis bezüglich Aggression, Spaltungstendenzen und der Außenwirkung ausdrücklich und habe mich bereits mehrfach klar dazu positioniert. Die geschichtlichen Grundlagen und die besondere Verantwortung unserer Stadt sind mir wohl bewusst.

Versammlungen beziehungsweise Demonstrationen als unmittelbare Grundrechtsausübung (Art. 8 GG) genießen, auch aus historischen Gründen, eine gewisse Privilegierung – dies gilt ganz unabhängig von der „politischen Richtung“ oder den Inhalten. Sie müssen – wie Sie wissen – „nur“ angezeigt und nicht genehmigt werden, Eingriffe in Ort, Route oder gar Inhalte sind nur in eng begrenztem Umfang überhaupt möglich. Die Wahl der Kundgebungsform und auch des Orts und der Zeit sind von der Versammlungsfreiheit mit umfasst, das heißt die Anmelderinnen und Anmelder können sich grundsätzlich „aussuchen“, wo und wann sie die Versammlung durchführen wollen; die Verlegung des Orts oder des Zeitpunkts ist zum Beispiel bereits ein Eingriff, der gerichtsfest von der Versammlungsbehörde zu begründen ist.

Die Versammlungsfreiheit beinhaltet auch die Meinungsfreiheit, das heißt Versammlungsthemen und in der Versammlung getätigte Meinungskundgaben in Wort, Bild oder Ton sind nur verboten, wenn sie gegen Gesetze verstoßen, insbesondere gegen Verbote nach dem Strafgesetzbuch oder dem Bayerischen Versammlungsgesetz. Es ist gängige Rechtsprechung, dass für Beschränkungen oder Verbote gegen eine Versammlung nur verbotene Meinungskundgaben herangezogen werden können, nicht aber politische oder gesellschaftliche Bewertungen von Meinungen. Die Polizei beobachtet die Meinungskundgaben bei diesen Versammlungen auf verbotene Inhalte und schaltet bei einem solchen Verdacht regelmäßig die Staatsanwaltschaft ein.

Die Versammlungsbehörde der Stadt Nürnberg – wie auch ich als „Chef“ der Verwaltung – sind in dieser Funktion strikt zur Neutralität verpflichtet, (politische) Bewertungen sind der Versammlungsbehörde und der Polizei zu Recht verwehrt und würden das Handeln der Versammlungsbehörde und der Polizei rechtlich angreifbar machen.

Die aktuelle Versammlung war sowohl in Bezug auf Ort und Zeitrahmen bereits das Ergebnis behördlicher Maßnahmen und wurde in den vorgeschalteten Kooperationsgesprächen der Versammlungsbehörde mit den Anmeldern erreicht. Die ursprünglich angezeigte Route wäre weitaus belastender gewesen.

Die Anmelder der Versammlung „Gemeinsam für Deutschland“ bestanden unter anderem auf einer Zwischenkundgebung bei und einer Route über die Säule zur Meinungsfreiheit in der Straße der Menschenrechte. Begründet wurde dies unter anderen mit einem Bezug zur Ermordung von Charlie Kirk am 10. September 2025 in den USA. Dieser Bezug ist aus formal-rechtlicher Sicht eben nicht zu beanstanden, aus oben genannten Gründen bestand keine gerichtsfeste Handhabe, diesen Ort/diese Route zu verweigern. Es wurde klar signalisiert, dass bei einer anderslautenden Auflage oder Korrektur der Route durch die Versammlungsbehörde der Rechtsweg beschritten würde. Insofern war es aus rechtlicher Sicht gerade nicht möglich, den Anmeldern diesen Ort zu verwehren.

Im Ergebnis war nicht die die Straße der Menschenrechte insgesamt betroffen, es wurde ausschließlich ein Zugang zur Säule zur Meinungsfreiheit (Nr. 20) über die Kolpinggasse (hin und zurück) vereinbart und festgesetzt. Da es in der Färberstraße aber zu einer Blockade von circa 120 Gegendemonstranten kam, musste der Aufzug kurzfristig durch polizeiliche Entscheidung ab Färbertor über die Frauentormauer zur Kartäusergasse und damit durch einen Teil der Straße der Menschenrechte geleitet werden. Nach Beendigung der Zwischenkundgebung setzte sich der Aufzug über die Kolpinggasse wieder in Bewegung.

Natürlich muss auch immer ein Ausgleich mit den (ebenso grundrechtlich geschützten) Positionen Dritter gefunden werden, es ist aber eben auch gerade Sinn einer Versammlung, auf die Umgebung einzuwirken, auch wenn die „Botschaften“ dieser Versammlungen tatsächlich nur schwer zu ertragen sind. Art und Umfang von Auflagen müssen zudem natürlich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit abgewogen werden. Eingriffe sind im Übrigen auch nur bei Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung denkbar, zum Beispiel bei konkret zu erwartenden Straftaten von entsprechendem Gewicht (Prognose).

Im konkreten Fall wäre ein Versammlungsverbot oder auch eine Routenänderung rechtlich völlig aussichtslos gewesen und vom Verwaltungsgericht schnell aufgehoben worden.

Letztlich „sammelt“ die Versammlungsbehörde gemeinsam mit der Polizei Erkenntnisse und trägt Berichte der Polizei oder der Justiz zusammen, um hieraus gegebenenfalls künftige Auflagen oder Maßnahmen zu entwickeln – so auch in diesem Fall.

Natürlich kann ich die politische oder auch gesellschaftliche Bewertung des Auftretens und der Außenwirkung des „Team Menschenrechte“ nachvollziehen, dies muss aber von der notwendigen rechtlichen Bewertung und Prognose unterschieden werden, an die ungleich höhere Anforderungen zu stellen sind.

Die Versammlungsbehörde wird stets versuchen, die Örtlichkeiten, den Umfang und die Zeiten von Versammlungen möglichst in einen Ausgleich mit den ebenso betroffenen subjektiven Rechten Dritter in Ausgleich zu bringen; das gilt natürlich auch für Gegenversammlungen und deren Bedürfnisse. Ich darf versichern, dass wir gerade bei dieser Art von Versammlungen permanent darum ringen, angemessene Lösungen zu finden, ohne Gefahr zu laufen, dass sie gerichtlich aufgehoben werden. Die Polizei und die Versammlungsbehörde machen es sich hier nicht einfach; ich bitte hier deswegen um Vertrauen in deren Kompetenz und Zuverlässigkeit. Eine Änderung der „Ausrichtung“ ist hier gewiss nicht angezeigt. Vielmehr sollte alles – auch Symbolhandlungen wie ein kalkuliertes Scheitern bei Gericht – vermieden werden, was das Vertrauen in die städtischen und staatlichen Institutionen untergräbt oder beschädigt.

Dies zu verhindern ist auch Teil jedenfalls meiner Verantwortung.

Mit freundlichen Grüßen

Marcus König