Nachrichten aus dem Rathaus

Nr. 387 / 19.04.2016

Alltagsbildung und erste Orientierung für Flüchtlinge

Erste Orientierung geben, Verhaltenssicherheit vermitteln – mit diesen Grundgedanken gestaltet die Projektgruppe „Alltagsbildung“ der Stadt Nürnberg Angebote für Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften. Ein halbes Jahr lang erproben Mitarbeitende aus dem Stab Familie des Sozialreferats, aus dem Jugendamt und dem Sozialamt Veranstaltungsformate, die sich vor allem an junge Erwachsene und Flüchtlinge mit Kindern richten.

Themen der Veranstaltungen sind Grundinformationen für ein respektvolles Miteinander in Deutschland ebenso wie Verhaltensanforderungen im öffentlichen Raum oder im Umgang mit Kindern. Das Vorhaben, Angebote in den Einrichtungen rund um das Thema Werte und Gesetze, Freiheiten und ihre Grenzen zu machen, hatte Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly bereits in seiner diesjährigen Neujahrsansprache angekündigt.

Die Projektgruppe veranstaltet Workshops, für die das Menschenrechtsbüro ein Konzept entwickelt hat. In Deutsch und Arabisch geht es dabei etwa um Religionsfreiheit und sexuelle Selbstbestimmung. „Freiheit und Würde – Rechte für alle“ heißen die Nachmittagsveranstaltungen, bei denen die Neugier der Teilnehmerinnen und Teilnehmer deutlich wird, mehr über das Leben in Deutschland zu erfahren. Auch Elterngesprächsrunden mit Expertenteams aus Jugendamt und Familienbildungsstätten finden in wöchentlichem Rhythmus in wechselnden Unterkünften in Arabisch und Russisch statt. Hier geht es um Kindergarten und Schule und um Anforderungen an Eltern in unserem Land – von der Bedeutung, die Eltern-Kind-Beziehung zu stärken bis zu praktischen Fragen der Aufsichtspflicht und kostengünstigen Freizeitgestaltung in der Familie.

Stadtteilspaziergänge geben erste Orientierung im städtischen Raum und bei der Benutzung von Verkehrsmitteln. Sie führen an öffentliche Orte wie Kulturläden, die Stadtbibliothek oder auch Kinder-und Jugendhäuser und enden mit Diskussionsrunden. Auch hier zeigen erste Veranstaltungen, dass viele Flüchtlinge sich wünschen, mit ihrer neuen Umgebung in Kontakt zu kommen und erste Schritte zur Integration zu gehen. Mit verschiedenen Anbietern gibt es auch erste Versuche, Frauencafés und kulturpädagogischen Workshops ins Leben zu rufen.

In einem Willkommensbrief an alle Flüchtlinge weist Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly darauf hin, dass Deutschland ein friedliches Land ist: „Das verdanken wir unseren Gesetzen, Regeln und Gebräuchen.“ Die Regeln des Grundgesetzes gälten für alle Bürgerinnen und Bürger, entsprechend müssten sich auch alle in jeder Situation in Worten und Taten friedlich verhalten. „Die Konflikte, die Sie zwischen Ihren unterschiedlichen Herkunftsländern erleben mussten, dürfen in Deutschland nicht mit Gewalt ausgetragen werden“, schreibt das Stadtoberhaupt.

Der Brief des Oberbürgermeisters erscheint in diesen Tagen als Broschüre in acht Sprachen und wird über die Asylberatungen an alle Flüchtlinge verteilt. Als Chef der Verwaltung geht der Oberbürgermeister auch auf die für alle Beteiligten schwierige Unterbringung und Integration von in Nürnberg zurzeit rund 8 000 Flüchtlingen ein: „Es ist gut, dass wir so vielen Menschen in einer Notsituation helfen können. Aber auch für uns ist das eine Ausnahmesituation.“ Er bittet um Geduld, wenn nicht alles so schnell klappt, wie es wünschenswert wäre.

Wie viel Geduld Flüchtlinge aufbringen müssen, wird der „Projektgruppe Alltagsbildung“ in allen bisherigen Veranstaltungen deutlich. Die Teilnahmemöglichkeit an Integrationskursen und eine bessere Unterkunft lassen oft lange auf sich warten. Die Möglichkeiten von Flüchtlingseltern, sich mit Lehrkräften und deutschen Eltern zu verständigen, sind gering und auch die Kenntnis darüber, was von ihnen in welcher Situation erwartet wird. „In Syrien war ich ein Lehrer“, erzählte ein Vater während der Elterngesprächsrunden. „Wie kann ich hier meinem Kind bei den Hausaufgaben helfen, wenn es schneller die Möglichkeit hat, Deutsch zu lernen als ich?“. Er nimmt genauso gerne jede Möglichkeit der Begegnung mit seiner neuen Umgebung wahr wie das junge Elternpaar aus Äthiopien, das zu verstehen versucht, wie ein Kleinkind in Deutschland gefördert werden kann und sollte.

Zu allen Zeiten seien in Nürnberg Menschen eingewandert und heimisch geworden, schreibt der Oberbürgermeister in seinem Brief: „Über zwei Fünftel der Nürnberger Bevölkerung sind selbst eingewandert oder haben familiäre Wurzeln außerhalb Deutschlands.“ Einen Beitrag zu leisten, dass dies auch weiterhin gelingt, ist Ziel der Alltagsbildungs-Veranstaltungen. Im Sommer wird sich entscheiden, welche dieser Veranstaltungsformen erfolgversprechend erscheinen und mit Flüchtlingen in Nürnberg fortgeführt werden können. boe

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