Nachrichten aus dem Rathaus

Nr. 730 / 19.07.2016

Projekt „Alltagsbildung für Flüchtlinge“

Ein halbes Jahr lang erproben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Nürnberg das Projekt „Alltagsbildung für Flüchtlinge“. Insgesamt wollen sie damit rund 600 Flüchtlinge in etwa 40 Unterkünften im Stadtgebiet mit einer oder mehreren Veranstaltungen erreichen. Im Laufe der nächsten Wochen wird das Projekt ausgewertet, um festzuhalten, welche Veranstaltungsformate fortgeführt und ausgeweitet werden können. Schon jetzt gehen die Verantwortlichen davon aus, dass die Erfahrungen auch für die Arbeit von Fachdiensten wie etwa der Erziehungsberatung von großem Wert sind und einen Beitrag zu einem besseren Miteinander in Nürnberg leisten können.

Wie ticken die Deutschen? Was sind wichtige Werte und Normen in Deutschland? Was wird erwartet von Eltern, die mit ihren Kindern als Geflüchtete neu nach Nürnberg kommen? Diese und manch andere Frage versuchen die Mitarbeiter während der Veranstaltungen zu beantworten. Mit Workshops, Stadtspaziergängen und Gesprächsrunden vermitteln sie erste Orientierung und Verhaltenssicherheit.

In der „Projektgruppe Alltagsbildung“ im Sozialreferat arbeiten Fachkräfte aus Jugendamt, Sozialamt, Bündnis für Familie und aus dem Menschenrechtsbüro zusammen. Die Kooperation mit Dolmetschern, Flüchtlingsberatung vor Ort und zahlreichen Einrichtungen ist unverzichtbar, um möglichst viele Menschen zu erreichen – auch Flüchtlinge, die noch keine Möglichkeit hatten, einen Deutschkurs oder ein anderes Integrationsangebot zu besuchen.

Wie ein roter Faden zieht sich durch alle Veranstaltungen die große Dankbarkeit dafür, dass die städtischen Vertreterinnen und Vertreter direkt mit den Geflüchteten ins Gespräch kommen sie die Gelegenheit haben, Fragen zu stellen und Unsicherheiten zu äußern. Negative Erfahrungen mit Behörden im Herkunftsland spielen eine große Rolle. Das zeigen Äußerungen in Workshops, die sich um Grundwerte wie Religionsfreiheit oder Gleichberechtigung von Mann und Frau drehen: „Wenn Du bei uns einen Polizisten siehst, wechselst Du besser die Straßenseite! Hier gibt es die Meinungsfreiheit, nach der wir uns so gesehnt haben.“ Die gewonnene Freiheit verunsichert aber auch viele Flüchtlinge und führt zu Fragen wie: „Ab welchem Alter dürfen junge Menschen sich hier küssen?“

Wie eine gewaltfreie Erziehung gelingen kann, ist ebenfalls immer wieder Thema: „Wir kommen selber aus einer Kultur, in der Gewalt zur Zeit gang und gäbe ist.“ Andere Eltern fragen: „Wie zeigen Sie einem Kind Grenzen, ohne es zu schlagen?“ Die Offenheit, mit der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Fragen stellen, beeindruckt die Veranstalter auch bei Seminaren zur Sexualaufklärung für Frauen und zum respektvollen Umgang für junge Männer.

Ein Theaterworkshop und ein Fotoprojekt trugen dazu bei, ohne umständliche Sprachbarrieren gemeinsam herauszufinden, wie man dem Unbekannten hier in Deutschland begegnen kann. Viele Flüchtlinge wollen nicht nur unter sich sein, sondern suchen die Begegnung mit Deutschen, um die Sprache zu lernen und sich Schritt für Schritt zu integrieren. Das wurde deutlich bei Spaziergängen, die zum Beispiel von der Straße der Menschenrechte in die Klarakirche und ins Kunstkulturquartier führten, um die verschiedenen Angebote vorzustellen.
„Es ist beeindruckend, wie Ihr Land nach dem Krieg wieder aufgebaut wurde!“, äußerte ein Syrer, „Das macht mir eine kleine Hoffnung.“ boe

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