Nachrichten aus dem Rathaus

Nr. 872 / 05.09.2017

Stadt Nürnberg widerruft Mietvertrag mit AfD

Die Stadt Nürnberg hat am heutigen Dienstag, 5. September 2017, die Zulassung des Kreisverbands Nürnberg-Nord der Partei „Alternative für Deutschland – AfD“ zur Nutzung der Meistersingerhalle am Samstag, 9. September 2017, widerrufen. Dies ist die Folge einer Mitteilung der AfD vom heutigen Tage, dass sie der Aufforderung der Stadt Nürnberg nicht nachkommen werde, dass der Spitzenkandidat der AfD, Alexander Gauland, bei dieser Veranstaltung nicht das Wort ergreifen werde. Die Stadt Nürnberg, so der entsprechende Bescheid, kann menschenverachtende Äußerungen in einer ihrer Einrichtungen nicht dulden.

Die Stadt Nürnberg hatte im April 2017 mit der AfD einen Mietvertrag zur Nutzung der Meistersingerhalle am 9. September 2017 abgeschlossen. Am 29. August 2017 war der Tagespresse zu entnehmen, dass Alexander Gauland, stellvertretender Sprecher und Spitzenkandiat der AfD für die Bundestagswahl am 24. September 2017, öffentlich bei einer Wahlkampfveranstaltung im thüringischen Eichsfeld unter Bezugnahme auf eine Äußerung der Staatsministerin und Integrationsbeauftragten der Bundesregierung Aydan Özoguz, „eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar“, Folgendes gesagt hat:

„Das sagt eine Deutschtürkin. Ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt die nie wieder hierher. Und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.“

Diese Äußerungen hat Alexander Gauland in der Folgezeit nicht zurückgenommen. Mit Schreiben vom 1. September 2017 an den Kreisverband Nürnberg-Nord der AfD forderte deshalb die Stadt diesen auf, bis heute, 5. September 2017, 12 Uhr, rechtsverbindlich zu erklären, dass Alexander Gauland in der Veranstaltung am 9. September 2017 in der Meistersingerhalle nicht das Wort ergreifen werde.

Grundlage für diese Aufforderung war Art. 21 Gemeindeordnung (GO), in dessen rechtlichem Rahmen sich die von der Stadt gestellten Allgemeinen Mietvertragsbedingungen, insbesondere auch der dortige § 23 Abs. 2 1. Spiegelstrich der Allgemeinen Mietvertragsbedingungen für die Meistersingerhalle Nürnberg halten, der wie folgt lautet:

„Die Vermieterin kann, nach vorheriger Abmahnung und erfolglosem Ablauf einer zu setzenden angemessenen Frist, vom Vertrag zurücktreten, wenn Tatsachen vorliegen, die eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder eine Schädigung des Ansehens der Stadt Nürnberg durch die Veranstaltung befürchten lassen; …“.

Ergänzend wurde in dem Schreiben darauf hingewiesen, dass mit der Ausübung des Rücktrittsrechts gleichzeitig ein Widerruf der Zulassung zur Meistersingerhalle verbunden wird. Dieser ist nun erfolgt.

In dem Widerrufsbescheid heißt es unter anderem:

„Die Meistersingerhalle der Stadt Nürnberg ist eine öffentliche Einrichtung gemäß Art. 21 der Gemeindeordnung. Die Benutzung der Halle wird privatrechtlich durch Abschluss eines Mietvertrags geregelt. Für das jeweilige Mietverhältnis gelten die ,Allgemeinen Mietvertragsbedingungen für die Meistersingerhalle Nürnberg‘.

Eine Erklärung oder eine sonstige Stellungnahme des Kreisverbandes Nürnberg-Nord der AfD, dass auf einen Redeauftritt von Alexander Gauland verzichtet wird, ging nicht bei der Stadt Nürnberg ein. Vielmehr wurde in einem Schreiben der Vertreter der AfD-Nürnberg an die Stadt Nürnberg vom 5. September 2017 bestätigt, dass ein Auftritt von Alexander Gauland als Gastredner weiterhin beabsichtigt ist.
Die Stadt trat deshalb mit Schreiben der Meistersingerhalle vom 5. September 2017 gemäß den Vertragsbedingungen vom Mietvertrag zurück. Infolgedessen wird darüber hinaus hiermit – wie angekündigt – die Zulassung für die Benutzung der öffentlichen Einrichtung ,Meistersingerhalle Nürnberg‘ für die Veranstaltung am 9. September 2017 widerrufen.

Die Rechtsgrundlage für die Entscheidung ist Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG i.V.m. Art. 21 GO. Demnach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen vor.“

Der Verwaltungsakt zur Vermietung der Meistersingerhalle, „ der bei seinem Erlass im April 2017 im Zusammenhang mit dem Angebot zum Abschluss eines Mietvertrages erlassen wurde und rechtmäßig war, wird widerrufen. Die genannten Äußerungen von Alexander Gauland sind beleidigend, hetzerisch, rassistisch und verletzen Frau Özoguz zutiefst in ihrer Menschenwürde. Es besteht aktuell zumindest der Verdacht, dass durch die Veranstaltung beziehungsweise den angekündigten Redner Straftaten nach § 130 StGB begangen werden, wobei eine abschließende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden hierüber freilich noch aussteht.

Nürnberg, das als Stadt des Friedens und der Menschenrechte internationales Ansehen genießt (am 24. September wird zum 12. Mal der Internationale Nürnberger Menschenrechtspreis verliehen), kann es nicht dulden, dass solche oder andere menschenverachtenden Formulierungen in einer ihrer Einrichtungen geäußert werden. Hierdurch würde das Ansehen der Stadt massiv geschädigt. Die tatsächlich berechtigte Besorgnis, dass der angekündigte Redner entsprechende Aussagen wiederholt oder bekräftigt, liegt hier vor.

Als einstige ,Stadt der Reichsparteitage‘ und der so genannten Rassegesetze ist Nürnberg noch heute im kollektiven Bewusstsein eng mit der NS-Diktatur und deren Propaganda verbunden. Nürnberg hat diese aus seiner Geschichte erwachsene Verantwortung angenommen und unternimmt seit vielen Jahren große Anstrengungen, den Schutz der Menschenrechte als eine der Leitlinien der Kommunalpolitik und als Fundament eines friedlichen Zusammenlebens zu implementieren. Von dieser Stadt sollen ,niemals mehr andere Signale ausgehen dürfen als solche des Friedens, der Versöhnung, der Verständigung und der Achtung der Menschenrechte‘, so der Beschluss des Nürnberger Stadtrats.

Dazu gehört auch eine besondere Wachsamkeit gegenüber menschenfeindlichen Haltungen und Äußerungen. Äußerungen, welche die Menschenwürde von Personen angreifen, diese verächtlich machen oder schmähen werden in Nürnberg nicht geduldet.

Die Nutzung öffentlicher Einrichtungen gemäß Art. 21 Abs. 1 GO ist nur im Rahmen der bestehenden allgemeinen Vorschriften zulässig. Gemäß Art. 21 Abs. 5 Satz 2 GO kann die Zulassung von einer vorherigen Belehrung und dem ausdrücklichen Anerkenntnis der bestehenden Vorschriften abhängig gemacht werden. Insoweit geht es hier um die Achtung der Menschenwürde und das Unterlassen möglicherweise inkriminierter Äußerungen mit diffamierendem, rassistischem Inhalt.

Durch die Erklärung der AfD-Nürnberg beziehungsweise dem Unterlassen einer klaren Äußerung, dass der besagte Redner, der sich öffentlich nicht von den angesprochenen Äußerungen distanziert hat, nicht als Redner auftreten wird, wurde der Aufforderung im Schreiben der Stadt vom 1. September 2017 nicht nachgekommen. Vielmehr wird ausdrücklich im Schreiben vom 5. September erklärt, dass Alexander Gauland als Gastredner auftreten soll. Somit ist davon auszugehen, dass die allgemein bestehenden Vorschriften im Sinne von Art. 21 Abs. 1 und Abs. 5 GO nicht entsprechend vorab anerkannt wurden und insoweit kein Nutzungsanspruch mehr besteht.

Die inkriminierten Äußerungen eines hohen Repräsentanten der AfD sind nach Zulassung der AfD zur Benutzung der Meistersingerhalle erfolgt. Wären diese bereits im April 2017 getätigt worden, wäre die Stadt berechtigt gewesen, die Zulassung zu verweigern.

Zudem wird durch die Weigerung der AfD, die verlangte Zusicherung abzugeben, dass Alexander Gauland nicht als Redner auftreten wird, das öffentliche Interesse daran, Äußerungen zu verhindern, die Störungen der öffentlichen Sicherheit darstellen würden und die bei einer Veranstaltung in einer städtischen Einrichtung auch das Ansehen der Stadt beschädigen würden, gefährdet.

Die Forderung eine entsprechende Erklärung abzugeben, wurde als zunächst milderes Mittel gewählt, um den Entzug der Zulassung zur Halle doch noch obsolet werden zu lassen. Die AfD muss sich aber somit den Entzug der Zulassung durch ihr Handeln beziehungsweise das Unterlassen einer entsprechenden Erklärung zurechnen lassen. Sie hat damit deutlich zu erkennen gegeben, dass Alexander Gauland als Redner vorgesehen ist und dass dann – gerade angesichts der unmittelbar bevorstehenden Bundestagswahl – wieder mit in jeder Hinsicht diskriminierenden Äußerungen, wie der zuvor zitierten, zu rechnen ist.“

Das öffentliche Interesse der Stadt Nürnberg „als Stadt der Menschenrechte und ihre internationale Reputation, insbesondere in Bezug auf ihre Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit sowie das Interesse der Unterbindung beschriebener Äußerungen (wiegen) schwerer als das Interesse der AfD, in Nürnberg eine Wahlveranstaltung konkret mit diesem angekündigten Redner abzuhalten, der nachhaltig und stetig durch hetzerische Äußerungen auffällt, die sich bisweilen an der Grenze der Strafbarkeit bewegen.“ sz

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