Nachrichten aus dem Rathaus

Nr. 656 / 26.06.2019

Bürgermedaillen der Stadt Nürnberg 2019

In nichtöffentlicher Sitzung hat der Nürnberger Stadtrat am heutigen Mittwoch, 26. Juni 2019, über die diesjährige Verleihung der Bürgermedaille der Stadt Nürnberg entschieden. Nach Vorschlägen des Oberbürgermeisters und der Fraktionen ehrt die Stadt Nürnberg heuer folgende Bürger mit ihrer zweithöchsten Auszeichnung:

Gisela Hoffmann
Gerhard Schmelzer
Roland Straub
Jürgen Wechsler


Die Verleihung der Bürgermedaille findet in einer festlichen Sondersitzung des Ältestenrats am Stadtgründungstag, Dienstag, 16. Juli 2019, statt.
Mit der Bürgermedaille der Stadt Nürnberg werden seit 1960 Nürnberger Bürgerinnen und Bürger geehrt, die sich besondere Verdienste um die Stadt Nürnberg erworben haben. Sie ist aus Gold und hat die Form einer Münze. Auf der Vorderseite ist das große Nürnberger Stadtwappen mit der Umschrift „Stadt Nürnberg“ eingeprägt, auf der Rückseite der Name der oder des Geehrten mit den Worten „Für hervorragende Verdienste“. Bislang wurden 215 Personen mit der Bürgermedaille ausgezeichnet.
Im Folgenden redaktionell bearbeitete Auszüge aus den Begründungen der Vorschläge:

Gisela Hoffmann
Gisela Hoffmann ist als Gründungsmitglied und künstlerische Leiterin des Gostner Hoftheaters eine prägende Akteurin des Nürnberger Kulturlebens.

Gisela Hoffmann wurde am 20. September 1949 in Hersbruck geboren und wuchs in Henfenfeld auf. Nach der Mittleren Reife und der Ausbildung zur Auslandskorrespondentin studierte sie bis 1976 in Bamberg und wurde Fachlehrerin für Englisch an Hauptschulen. Bis 2005 übte sie den Lehrerinnenberuf aus. Doch ihre wahre Berufung fand sie in Nürnberg in der Kultur und im Theater.

Hier gründete Gisela Hoffmann mit Gleichgesinnten im Jahr 1976 den Kunstverein Hintere Cramergasse im Stadtteil St. Peter. Der bis heute bestehende Verein entwickelte sich rasch zu einer Anlaufstätte für Künstler und Musiker.

Gisela Hoffman widmete sich jedoch schnell einer weiteren Aufgabe. Ihr Weg führte in die Gostenhofer Austraße. Hier, wo kurz vorher noch die Blechspielwarenfabrik der Gebrüder Einfalt produzierte, gründete sie in Gemeinschaft mit anderen Kultur-Idealisten 1978 das Gostner Hoftheater.

Enorme Schaffenskraft und die nötige Portion Optimismus begleiteten die Gründung des Theaters, das nun im 40. Jahr seines Bestehens zu einer der bedeutendsten Spielstätten der Stadt geworden ist. Hoffmann begleitete als Gründungsmitglied des Gostner Hoftheater e. V. jedes einzelne dieser Jahre in den vielfältigsten Funktionen, zunächst als Aufbauhelferin, auch als Regisseurin, über viele Jahre bis heute als künstlerische Leiterin.

In dieser Funktion hat Gisela Hoffmann maßgeblich am Programm ihres Theaters mitgewirkt. Bevorzugt wurde jungen Dramaturginnen und Dramaturgen Bühnenraum gegeben. Die Höhepunkte des Spielplans bildeten nicht etablierte, immer anspruchsvolle und auf der Höhe der Zeit stehende Stücke. Prägten anfangs Gastspiele das Programm, gelang es ab Mitte der 1980er Jahre immer öfter, mit eigenem Ensemble Eigenproduktionen anzubieten.

Unter Hoffmanns künstlerischer Leitung schritt die Profilierung des Kulturortes Gostner Hoftheater, dessen gastronomisches Vorzimmer LOFT zu einem Zentrum von Kleinkunst und Musik geworden war, voran. War im Jahr 1994 die Suche nach einer größeren Spielstätte noch an der Intervention der städtischen Verwaltung gescheitert, gelang das Vorhaben 1998 mit der Eröffnung der Jugendstilperle Hubertussaal in der Nürnberger Südstadt. Aufführungen vor deutlich größerem Publikum waren nun möglich, die erhöhte Kapazität auch notwendig. Denn das Portfolio des Theaters hatte sich grundlegend geändert. Die Jugendtheateraktivitäten des „Gostner“ fanden hier eine Heimat, zuvorderst das prestigeträchtige Internationale Jugendtheater-Festival licht.blicke, organisiert in Kooperation mit dem Theater ZwoSieben, das 2019 mit der zehnten Ausgabe ebenfalls ein Jubiläum begeht.

Nicht nur die künstlerische Lebensleistung von Gisela Hoffmann gilt es zu würdigen. Dort, wo die Macherinnen und Macher des Gostner Hoftheaters kreativ wurden, begleiteten sie diesen Prozess immer auch mit kulturpolitischem Engagement. Das Gostner Hoftheater war früh Anlaufpunkt für Versuche, die sozialen Probleme im eigenen Stadtviertel zu erkennen und anzugehen. Partizipative Prinzipien standen und stehen hoch im Kurs: Die aktive Förderung von Kinder- und Schultheater, Aktionen wie FEMOA (Freier Eintritt für Menschen ohne Arbeit), unterstützende Initiativen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise – wie selbstverständlich bezogen und beziehen Gisela Hoffmann und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter seit über 40 Jahren dort Position, wo dies ihnen notwendig und wichtig erscheint.

Gisela Hoffmanns Leistungen für ihr Theater und die Stadt Nürnberg trugen zu einer Reihe von Auszeichnungen bei. Die Stadt Nürnberg vergab dem Gostner Hoftheater bereits 1989 das Nürnberg Stipendium, im Jahr 2004 schließlich den Kulturförderpreis und begleitete den Weg des einstigen Off-Theaters auch mittels finanzieller Förderung. Die einstige Theaterabenteurerin Hoffmann ist längst gefragte Expertin, etwa im Fachbeirat der Akademie für Schultheater und performative Bildung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Gisela Hoffmann hat über mehr als vier Dekaden den kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Diskurs der Stadt wesentlich mitgeprägt. Ihr besonderes Engagement für die Kunst galt und gilt in ebensolchem Maße immer auch dem Mitmenschen. Die Stadt Nürnberg verleiht ihr in Anerkennung ihrer Verdienste die Bürgermedaille.

Gerhard Schmelzer
Gerhard Schmelzer hat in 40 Jahren an der Spitze der von ihm gegründeten alpha Gruppe ein Nürnberger Unternehmen geschaffen, das mit seinem Engagement in große und schwierige Brachflächen die Stadt an markanten Stellen geprägt und positiv verändert hat. Seit fast ebenso vielen Jahrzehnten ist er ständiger Förderer, Sponsor und Mäzen der regionalen Kunst- und Kulturlandschaft.

Gerhard Schmelzer wurde am 3. Juni 1951 in Neuendettelsau geboren und wuchs in Ketteldorf, einem Ortsteil von Heilsbronn, auf. Er absolvierte eine Lehre als Bankkaufmann und studierte anschließend an der Fachhochschule in Nürnberg Betriebswirtschaftslehre. Nach seinem Abschluss als Diplom-Betriebswirt 1972 begann er mit seinem geschäftlichen Engagement in Nürnberg.

1978 gründete er die alpha Gruppe. Den Einstieg in das Immobiliengeschäft machte Gerhard Schmelzer gleich mit einer echten „Problem-Immobilie“ – einer ehemaligen Gurkenfabrik, in deren Keller er stinkende Gurken und einen fauligen Untergrund vorfand. Für Gerhard Schmelzer eine besondere Herausforderung, die er erfolgreich meisterte. Heute sind diese Räume als historische Felsenkeller Nürnbergs bekannt und gelten als Touristenattraktion.

Ebenfalls Ende der 1970er Jahre stieg Gerhard Schmelzer auch in das professionelle Sportmanagement ein und arbeitete beim damals zweitklassigen Handballverein TuSpo Nürnberg. Unter seiner Führung gelang dem TuSpo Nürnberg 1981 der bis heute einzige Aufstieg in die Handball-Bundesliga. Nur zwei Jahre später wurde er mit 32 Jahren zum jüngsten Präsidenten eines deutschen Fußball-Bundesligavereins aller Zeiten gewählt – des 1. FC Nürnberg. Auch im Sport setzte Gerhard Schmelzer auf „schwierige Fälle“. Die darauffolgende Saison wurde zum Wendepunkt für den Verein: Die Mannschaft schaffte nicht nur den Wiederaufstieg in die erste Bundesliga, sondern qualifizierte sich in der Saison 87/88 sogar für den UEFA-Pokal. Dem Club ist Gerhard Schmelzer bis heute treu geblieben und ist aktuell der Hauptsponsor und Werbepartner der Fußballfrauen des 1. FCN.

Auch im Immobiliengeschäft ging es für Gerhard Schmelzer in die erste Liga. Seine alpha Gruppe spezialisierte er auf Brachflächen und Problemimmobilien. Anfang der 1990er Jahre startete er sein größtes Projekt mit dem 80 000 Quadratmeter großen Areal des konkursgegangenen Schreibmaschinenherstellers Triumph-Adler (TA). Während sich nach der Wende viele Investoren in Richtung Ostdeutschland orientierten, blieb Gerhard Schmelzer der Region treu und investierte mit gutem Gespür weiter in Nürnberg. Die für mittelständische Betriebe umstrukturierte TA-Immobilie ist heute ein Vorzeigestandort für den erfolgreichen Strukturwandel in Nürnberg.

Die einstige Tilly-Kaserne in Schweinau oder das Gelände der Großdruckerei Sebald in der Innenstadt sind weitere Meilensteine in der Erfolgsgeschichte seiner Arbeit. Auf beiden Arealen entstand mit Wohn- und Geschäftsbebauung jeweils ein ganz neuer Stadtteil. „Wo einmal Leben war, zieht auch wieder Leben ein“, so das Credo des Geschäftsmanns, der bei all seinen Projekten immer auch die positive Entwicklung Nürnbergs Stadt im Blick behielt.

Neben seinem planerischen und konzeptionellen Engagement agiert Gerhard Schmelzer als leidenschaftlicher Kunst- und Kulturförderer und legt neben gewerblichen Nutzungen seiner Immobilien immer wieder Wert auf die Ansiedlung von Kultur-, Bildungs- und Sozialeinrichtungen. Im Laufe der Jahre hat er vielfach freien Initiativen finanzielle Unterstützung gegeben oder Raum für kreative Entfaltung geschaffen. Genannt seien etwa Künstlerateliers und eine Zwischennutzung für die „Pocket Opera“ sowie der Bau des Hermann Kesten Kollegs, der Probebühne für das Staatstheater sowie die Einrichtung für die Lebenshilfe auf Triumph-Adler.

In großzügigem Umfang fördert er seit vielen Jahren das Kindertheater Pfütze und das Staatstheater Nürnberg. Insbesondere der Bereich der Oper und die Sparte Ballett liegen Gerhard Schmelzer am Herzen. Nicht zuletzt war er der Mäzen des Gesangswettbewerbs „Die Meistersinger von Nürnberg“. Er unterstützte die Internationale Orgelwoche Nürnberg, den Albrecht Dürer Kunstverein und den Wiederaufbau des Pellerhofs. Über viele Jahre war er Mitglied des Hochschulrats der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg. Dabei brachte er sich nicht nur strategisch ein und begleitete die Entwicklung der Akademie über lange Zeit, sondern half der Studentenschaft auch durch regelmäßige Ankäufe von Werken.

Ob Felsenkeller, Milchhof, Tillypark oder TA – Gerhard Schmelzer sieht die Chancen, wo die meisten anderen nur Altlasten und Niedergang sehen wollen. Aktuell zu beobachten ist die großartige Entwicklung des einstigen „Schandflecks der Innenstadt“ – des Augustinerhofs. Auch hier gelingt es Gerhard Schmelzer wieder, Geschäft mit Kultur und Bildung zu verbinden und mit dem Deutschen Museum einmal mehr ein Juwel an markanter und prägender Stelle unserer Stadt zu schaffen.

Gerhard Schmelzer hat Nürnberg immer wieder und an den verschiedensten Stellen zum Positiven verändert: mit seinen Bauten, aber auch mit seinem Engagement für Kultur, Sport und soziale Projekte in Nürnberg. In Anerkennung seiner Verdienste verleiht ihm die Stadt Nürnberg die Bürgermedaille.

Roland Straub
Roland Straub ist ein herausragender Naturschützer, der seit Jahrzehnten ein außergewöhnliches ehrenamtliches Engagement für die Natur in Nürnberg zeigt. Ebenso bemerkenswert zeigt sich sein Einsatz für den Erhalt der biologischen Vielfalt und der natürlichen Umwelt der Bürgerinnen und Bürger in Nürnberg nach dem Motto „Miteinander, nicht gegeneinander für ein lebens- und liebenswertes Nürnberg“.

Roland Straub wurde am 9. Juni 1960 in Nürnberg geboren. Seit 1981 ist Roland Straub Mitglied im Bund Naturschutz (BN), seit 2015 als zweiter stellvertretender Vorsitzender des BN – Kreisgruppe Nürnberg mit aktiver Mitarbeit in verschiedenen Ortsgruppen. Seit 1994 engagiert er sich als Naturschutzwächter der Stadt Nürnberg. In dieser ehrenamtlichen Funktion agiert er als Bindeglied zwischen Bevölkerung und Verwaltung und ist zudem als Berater für unterschiedliche Unternehmen und Institutionen wie die N-Ergie, den Tiergarten Nürnberg oder die Regierung von Mittelfranken tätig. Er ist ein geschätzter Ansprechpartner für Bürgervereine, Sportvereine, den Fischereiverein, für Jugendliche, Bürgerinnen und Bürger sowie für die Medien. Seine naturkundlichen Führungen zeugen nicht nur von umfassendem Artenwissen, Kinder und Erwachsene weiß er gleichermaßen für die Natur zu begeistern.

Dabei wird Roland Straub nie müde: Er rettet Kröten in der Dämmerung und hat nächtliche Einsätze bei Feiern in Landschutzgebieten. Er kämpft ausdauernd gegen illegal abgelegten Müll und Grünabfälle und engagiert sich für wildlebende Tiere in der Stadt wie die Kreuzottern. Ihm ist bewusst, dass Natur nur dann für alle da sein kann, wenn jeder Einzelne zu ihrem Schutz beiträgt.

Daher setzt er sich in seinen unzähligen, eigens veranstalteten Führungen für Verständnis und Achtsamkeit für die Natur ein und sensibilisiert Bürgerinnen und Bürger für deren Schutzbedürftigkeit. Dabei sucht er stets den Dialog – auch in schwierigen Situationen: Nachlässige Spaziergänger oder feiernde Jugendliche, denen es in seinen Schutzgebieten an Respekt mangelt, klärt er über die möglichen Folgen ihres Verhaltens auf. Roland Straub ist da, wo er gebraucht wird: Beispielsweise im Jahr 2015, als er erfolgreich zwischen aufgebrachten Bürgerinnen und Bürgern und dem Forstbetrieb Nürnberg bei Forstarbeiten vermittelt hat oder als Pfleger des Landschaftsgebiets östliches Pegnitztal.

Seit 2007 engagiert sich Roland Straub zudem als örtlicher Hornissen- und Wespenberater für das Stadtgebiet. Dabei sorgt er nicht nur für den Schutz der unter Naturschutz stehenden Tiere und schafft ein Bewusstsein für den richtigen Umgang mit den Insekten, sondern nimmt vielen Menschen auch die Angst vor Wespen und Hornissen.

Einen großen Beitrag für die Umwelt erbringt Roland Straub als Mitglied im Naturschutzbeirat der Stadt Nürnberg. Seit 2014 übernimmt er dort zahlreiche Aufgaben wie die Beratung der Unteren Naturschutzbehörde in Nürnberg und die Bewertung von Bauvorhaben in Landschaftsschutzgebieten. Zusammen mit den anderen Beiräten trägt er umfänglich dazu bei, die Lebensqualität unserer Stadt zu erhalten.

Weiteren Einsatz für die Natur im Generellen und die Stadt Nürnberg im Speziellen zeigt Roland Straub als aktives Mitglied der Abteilung Mammalogie der Naturhistorischen Gesellschaft, der er 2015 beigetreten ist. Hier kümmert er sich unter anderem um die Kartierung der Säugetierfauna im Großraum Nürnberg, stellt Untersuchungen zur Biologie heimischer Säuger an und übernimmt neben der Öffentlichkeitsarbeit die Organisation von Informationsveranstaltungen.
Beim Bund Naturschutz engagiert sich Roland Straub insbesondere bei Migrantenprojekten der Kreisgruppe. Mit seiner hohen sozialen Kompetenz und seinem sachlichen sowie überzeugenden Auftreten hat er großen Respekt bei seinen Naturschutzkolleginnen und -kollegen sowie der Bürgerschaft gewonnen. Roland Straub übernimmt Verantwortung, lotet Spielräume für Lösungen aus und nimmt eine wichtige Rolle in demokratischen Abwägungsprozessen ein. Im besten Fall erreicht er, dass Probleme gar nicht erst zum Politikum werden.

Für seinen jahrzehntelangen Einsatz für die Nürnberger Natur und Landschaft hat Roland Straub die Bürgermedaille der Stadt Nürnberg verdient.

Jürgen Wechsler
Jürgen Wechsler hat sich als Gewerkschafter der IG Metall aktiv für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Stadt eingesetzt. Seine herausragenden gewerkschaftlichen Verdienste, insbesondere bei dem deutschlandweit beachteten Streik im Zuge der Schließung des ehemaligen Nürnberger Traditionsunternehmens AEG im Jahr 2005/2006, verdienen eine besondere Anerkennung.

Jürgen Wechsler wurde am 26. November 1955 in Schwanstetten geboren und wuchs dort auf. Nach dem Schulbesuch absolvierte er von 1971 bis 1974 eine Ausbildung als Mechaniker bei Siemens. Schon 1972 trat er der IG Metall bei und war dort als Jugendvertreter im Ortsjugendausschuss aktiv. Von 1974 bis 1989 arbeitete Jürgen Wechsler als Facharbeiter im Siemens-Trafowerk in Nürnberg. Ab 1978 war er Betriebsratsmitglied, ab 1984 freigestellter Betriebsrat. Ab 1986 war er bereits Mitglied in der wichtigen Tarif- und Verhandlungskommission der Metall- und Elektroindustrie Bayern sowie in der ERA-(Entgeltrahmen-) Verhandlungskommission.

Ab 1989 widmete der Mittelfranke sein Leben ganz der Gewerkschaft, zunächst als Gewerkschaftssekretär in der Verwaltungsstelle Nürnberg. Von Anfang an trieb Jürgen Wechsler ein Thema um: dass Beschäftigte beim wirtschaftlichen Wandel nicht unter die Räder kommen. Den Wandel bekam er immer wieder hautnah mit. 1990/91, kurz nach der Wiedervereinigung, half er beim Aufbau der Verwaltungsstelle Döbeln/Grimma in Sachsen. 1992 wurde Wechsler 2. Bevollmächtigter der Verwaltungsstelle in Nürnberg und blieb dies 16 Jahre lang. Er kämpfte von Anfang an mit dem massiven Arbeitsplatzabbau in der Region.

Besonders ins kollektive Gedächtnis der Stadt eingegraben hat sich dabei der Kampf um den Erhalt des AEG-Stammwerks Ende 2005. Als Streikleiter rang Jürgen Wechsler Anfang 2006 dort zwölf Wochen mit dem Unternehmen um einen Sozialtarifvertrag. Der schwedische Electrolux-Mutterkonzern hatte entschieden, den deutschen Standort aufzugeben und die Produktion ins kostengünstigere Ausland zu verlagern. Was folgte, waren zähe und komplizierte Verhandlungen und ein legendärer sechseinhalbwöchiger Streik mitten im Winter. Auch wenn sich die Schließung für das Hausgerätewerk mit rund 1 700 Beschäftigten nicht verhindern ließ: Jürgen Wechsler und die IG Metall konnten zusammen mit dem Betriebsratsvorsitzenden Harald Dix ansehnliche Abfindungen und Übergangsregelungen für ältere Beschäftigte durchsetzen. Zudem sollten die Beschäftigten nach Verlust ihres Arbeitsplatzes für weitere zwölf Monate in einer Beschäftigungsgesellschaft unterkommen. Für viele war der Kampf um AEG auch ein Sinnbild für einen rücksichtslosen Kapitalismus, der scheinbar über das Schicksal von Tausenden von Menschen einfach hinweggeht. Groß war die Welle der Solidarität in Nürnberg, viele Tausende beteiligten sich an den Aufrufen zu Demos und Solidaritätskundgebungen.

Der Wert der Solidarität ist auch für Jürgen Wechsler ein zentrales Anliegen. Und er zeigte immer wieder, dass eine starke Gewerkschaft mit einer guten Basis in den Betrieben etwas erreichen kann. 2008 wurde Wechsler 1. Bevollmächtigter der IG Metall Nürnberg, nur zwei Jahre später stieg er zum Bezirksleiter in Bayern auf. 2013 verhandelte er in Bayern den Pilotabschluss für die Metall- und Elektroindustrie. 2018 führte Jürgen Wechsler den IG-Metall-Bezirk Bayern durch eine wegweisende Tarifrunde: Neben starken Entgelterhöhungen brachte diese auch neue Arbeitszeitmodelle für die Beschäftigten.

Im Juli 2018 konnte Jürgen Wechsler zusammen mit Staatsregierung, Unternehmen und Betriebsräten den Bayerischen Autopakt unterschreiben, für den sich die IG Metall lange eingesetzt hatte. Mit dem Pakt vereinbaren die Unterzeichner, neue Technologien zu forcieren, möglichst viel Wertschöpfung und Beschäftigung vor Ort zu erhalten und die Weiterbildung der Beschäftigten zu verstärken. Dass dies gerade für die Region Nürnberg wichtig ist, hat auch Wechsler stets betont: Die größten Herausforderungen sieht er in diesem Zusammenhang bei den Zulieferern, insbesondere bei kleinen und mittelständischen, die sich auf nur ein Produkt für Verbrennungsmotoren spezialisiert haben. In Nürnberg und der Region gibt es sehr viele solcher Zulieferer.

Für das Modell eines solidarischen Sozialstaats setzte Jürgen Wechsler sich auch als Mitglied des Verwaltungsausschusses des Arbeitsamts Nürnberg und im Verwaltungsrat der AOK Bayern ein. Solidarität bedeutet für ihn, dass die Jungen für die Alten kämpfen, die Starken für die Schwachen da sind, die Gesunden für die Kranken, und die, die viel verdienen auch da sind für die, die wenig verdienen. Er kämpft für Gerechtigkeit, Integration und die Würde der Menschen.

Mit seinem langjährigen, engagierten Kampf für die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Nürnberg und Bayern hat Jürgen Wechsler sich sehr um die Stadt Nürnberg und ihre Bürgerinnen und Bürger verdient gemacht. alf

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