Nachrichten aus dem Rathaus

Nr. 567 / 16.06.2021

Gedenkveranstaltung für Abdurrahim Özüdoğru

Am Sonntag, 13. Juni 2021, hat die Stadt Nürnberg gemeinsam mit der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg an Abdurrahim Özüdoğru gedacht. Die Veranstaltung wurde am Tatort in der Gyulaer Straße, Ecke Siemensstraße, abgehalten. Hier befand sich die Änderungsschneiderei von Abdurrahim Özüdoğru, der vor 20 Jahren das zweite von zehn Mordopfern der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ wurde. Das Tatmotiv: Rassismus. „

Leider zeigt uns die historische Erfahrung, dass es sich bei rassistischem Denken um eine anthropologische Konstante handelt“, sagte Oberbürgermeister Marcus König in seiner Rede am Sonntagabend. „Deshalb ist auch die Auseinandersetzung mit Rassismus, Rechtsextremismus und Menschenhass eine gesellschaftliche Daueraufgabe. Antimuslimischer Rassismus zeigt sich heute sichtbar, offen und ungehemmt ebenso wie Antisemitismus und andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und von der verbalen Äußerung bis hin zu Übergriffen und Gewalt ist es häufig nur ein kurzer Weg.“

Abdurrahim Özüdoğru zählt neben Enver Simşek und Ismail Yaşar zu den drei Todesopfern des NSU in Nürnberg.

Neben den Redebeiträgen von Oberbürgermeister Marcus König und dem Generalkonsul der Republik Türkei in Nürnberg, Serdar Deniz, machte Stephan Doll, Vorsitzender der Allianz gegen Rechtsextremismus, zu Beginn seiner Rede deutlich: „Wir stehen heute hier am Tatort – 20 Jahre nach dem schrecklichen Mord am Nürnberger Abdurrahim Özüdoğru – und sind nach wie vor sprachlos. Allen Angehörigen, Freundinnen und Freunden sowie Bekannten sprechen wir unser tiefstes Mitgefühl für ihren Verlust uns das Leid aus, das sie nach dem Mord durchleben mussten.“

Bis heute sind trotz des langen Gerichtsprozesses noch immer nicht alle Hintergründe der Verbrechen aufgearbeitet. Am 19. Mai dieses Jahres hat daher der Nürnberger Stadtrat mit großer Mehrheit eine Resolution beschlossen, mit der ein zweiter NSU-Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag gefordert wird. „Damit bekräftigten wir die Notwendigkeit einer lückenlosen Aufklärung der Verbrechen, da nach wie vor viele Fragen unbeantwortet sind“, betonte Oberbürgermeister Marcus König. „Als Stadt, in der drei Todesopfer und ein Verletzter eines Bombenanschlags zu beklagen sind, ist es unsere Aufgabe, Aufklärung zu fordern.“ OB König weiter: „Daneben wollen wir dem würdigen Gedenken an die Opfer weiter Ausdruck verleihen – hier in der Gyulaer Straße mit einer Gedenktafel, die uns nicht nur erinnert, sondern auch mahnt. Im Herbst werden wir mit der Benennung des Orts, an dem Enver Şimşek ermordet wurde, in Enver-Şimşek-Platz, unserer Kultur des Erinnerns einen weiteren Baustein hinzufügen.“

Der Generalkonsul der Republik Türkei, Serdar Deniz fand deutliche Worte: „Leider ist auch Abdurrahim Özüdoǧru ein Opfer dieses brutalen Terrors geworden. Die Absicht hinter dieser braunen Mentalität ist es, Menschen mit türkischen Wurzeln einzuschüchtern, um sie dazu zu zwingen, dieses Land zu verlassen. Was diese faschistischen Banden aber nicht wissen, ist die Tatsache, dass die Türken, die seit einem halben Jahrhundert und inzwischen in vierter Generation in Deutschland leben, längst nicht mehr Eingewanderte sind, sondern einen essentiellen Teil dieses Landes darstellen.“

Zur Erinnerungskultur an die Morde und Anschläge des NSU zählen neben dem zentralen Mahnmal mit vier Bäumen für die Menschenrechte am Kartäusertor auch die lebendige Form der Erinnerung in Gestalt des „MOSAIK-Jugendpreis[es] – Mit Vielfalt gegen Rassismus“, der jährlich in Kooperation mit der Landeshauptstadt München an Projekte von Jugendlichen verliehen wird, die sich in besonderer Weise für Demokratie und gegen Rassismus einsetzen. An den jeweiligen Tatorten in der Stadt haben sowohl zivilgesellschaftliche Bündnisse als auch die städtische Verwaltung Tafeln des Gedenkens errichtet. In der Bildungsarbeit hat sich im Laufe der letzten Jahre ein vielfältiges Angebot zu den Verbrechen des NSU durch Zivilgesellschaft und Stadt entwickelt, welches sowohl von Schulen als auch Erwachsenengruppen in Anspruch genommen werden kann. Auf Bundesebene braucht es darüber hinaus „endlich ein Demokratiefördergesetz und die Streichung des Begriffes ‚Rasse‘ aus dem Grundgesetz“, forderte Stephan Doll in seiner Rede.

Martina Mittenhuber, Leiterin des Menschenrechtsbüros der Stadt Nürnberg verlas bei der Gedenkveranstaltung im Namen der Tochter des Ermordeten, Tülin Özüdoğru: „Als Tochter eines Opfers dieser schrecklichen Tat, beobachte ich seit Jahren sowohl Bemühungen als auch Versäumnisse. Ich bin dankbar und gerührt, dass Menschen sich dafür einsetzen, dass sich so etwas nicht wiederholt und dass die Opfer nicht in Vergessenheit geraten. Es gibt uns Familien Kraft, wenn wir sehen, dass Menschen aus allen Altersgruppen, ganze Städte, Künstler, Politiker, Vereine, Bildungsstätten, zivilgesellschaftliche Initiativen und Medien die Zukunft Deutschlands mitgestalten und sich gegen Rechtsextremismus, Spaltung und Gewalt friedlich, aber mit vollster Überzeugung stellen.“ In diesem Sinne appellierte auch Stephan Doll zum Abschluss seiner Rede: „Die Zivilgesellschaft und der Staat sind gefordert, dem Verbreiten des Rechtsextremismus, der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und dem Terror von rechts klar und deutlich entgegenzutreten.“

Weitere Informationen und das Video zur Gedenkveranstaltung finden sich auf der Website des Menschenrechtsbüros der Stadt Nürnberg www.menschenrechte.nuernberg.de und der Website der Allianz gegen Rechtsextremismus www.allianz-gegen-rechtsextremismus.de. tom

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