Nachrichten aus dem Rathaus

Nr. 573 / 17.06.2021

Gesundheitsversorgung vor Ort sichern: Stadt und Klinikum unterstützen Forderung des Deutschen Städtetags an Bund und Land

Deutschlandweit bilden große kommunale Krankenhäuser gemeinsam mit den durch die Länder getragenen Universitätskliniken das Rückgrat einer hochwertigen Gesundheitsversorgung weit über ihre Stadtgrenzen hinaus. Aber hierfür fehlt mittlerweile der angemessene finanzielle Ausgleich. Dieses Problem hat sich in der Corona-Pandemie noch verschärft, weshalb der Deutsche Städtetag eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, um Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Den Forderungen der Arbeitsgruppe schließen sich Oberbürgermeister Marcus König, Stadtkämmerer Harald Riedel und der Vorstandsvorsitzende des Klinikums Nürnberg, Prof. Dr. Achim Jockwig, an.

Oberbürgermeister Marcus König sagt: „Die kommunalen Maximalversorgungskrankenhäuser wie das Klinikum Nürnberg sind Krankenhäuser für alle. Dort wird das komplette Spektrum der Medizin für alle Menschen angeboten, die Kommunen tragen die finanziellen Risiken. Das System der Fallpauschalen ist nicht ausreichend. Eine Veränderung ist eine Frage der Gerechtigkeit. Deshalb muss die Krankenhausfinanzierung durch Bund und Land deutlich verbessert werden, denn: Spitzenmedizin benötigt eine auskömmliche Finanzausstattung!“

Für Nürnbergs Kämmerer Harald Riedel darf es nicht sein, dass die bisher duale Krankenhausfinanzierung dauerhaft erweitert wird, indem Kommunen gezwungen werden, die zu geringe Finanzierung von Betriebs- und Investitionskosten durch jährliche Verlustausgleiche zu kompensieren. „Dies überfordert den Nürnberger Haushalt, der durch viele andere Herausforderungen im Bereich Schul- und Kitabau, Verkehrswende sowie Sozial- und Jugendhilfe bereits an seinen Grenzen angelangt ist.“

Prof. Achim Jockwig, Vorstandsvorsitzender des Klinikums Nürnberg, sagt: „Gute Medizin für jeden zu jeder Zeit im Sinne der erwarteten Daseinsvorsorge muss für kommunale (Groß)krankenhäuser zusätzlich aus Steuermitteln finanziert werden. So wird es in unseren europäischen Nachbarländern, zum Beispiel in Österreich, gehandhabt. Wenn Krankenhäuser je nach Trägerschaft eine unterschiedliche Patientenselektion betreiben, jedoch pauschal gleich finanziert werden, führt dies zu einer systemimmanenten Wettbewerbsverzerrung. Genau das ist bei uns in Deutschland der Fall – und das geht zu Lasten der kommunalen Krankenhäuser.“

Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich die finanzielle Belastung der Kommunen weiter verschärft. Selbst wenn im Rahmen der Pandemie Erlösausgleiche seitens des Bundes geleistet wurden, bleiben die strukturellen Probleme aus der Vor-Corona-Zeit bestehen:

Überregionaler Versorgungsauftrag
Kommunale Maximalversorger wie das Klinikum Nürnberg haben einen überregionalen Versorgungsauftrag. Das heißt, im Gegensatz zu spezialisierten Fachkliniken halten kommunale Maximalversorger für alle Fachrichtungen Geräte und Personal vor, zum Beispiel spezielle Laser oder hochspezialisierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Zudem haben kommunale Maximalversorger in der Regel sehr viele nicht planbare akute Notfälle zu versorgen und können sich nicht auf ein bestimmtes Leistungsangebot spezialisieren. Dies hat zwangsläufig höhere Einzelfallkosten zur Folge, welche im pauschalen Vergütungssystem der Krankenhäuser nicht berücksichtigt werden.

Keine Patientenselektion
Auch kann ein kommunaler Maximalversorger keine Patientenselektion betreiben. Er ist für alle Bürgerinnen und Bürger zuständig, egal ob sich Behandlungen „rechnen“ oder nicht. Gerade die kommunalen Maximalversorger behandeln viele Menschen, die aus dem sozialen Netz gefallen sind und für die die Kosten aus den verschiedensten Gründen entweder nur teilweise oder gar nicht übernommen werden. Der daraus entstehende Fehlbetrag beläuft sich im Klinikum auf circa 350 000 Euro jährlich. Infolge der Pandemie mit steigender Tendenz, weil Reisekrankenversicherungen zunehmend Pandemieausschlüsse in ihren Verträgen vorsehen. Das heißt, wird ein Patient aufgrund einer Covid-19- Erkrankung stationär behandelt, erfolgt keine Zahlung durch die bestehende Reisekrankenversicherung. Derzeit befindet sich ein Patient aus Georgien auf der Intensivstation des Klinikums, die Kosten belaufen sich zum jetzigen Zeitpunkt bereits auf rund 72 000 Euro.

Unterdeckung ambulanter Notfälle
Kommunale Maximalversorger haben regelmäßig einen hohen Zulauf von ambulanten Notfallpatienten. Das Klinikum hatte in der ambulanten Notfallversorgung 2019 eine Unterfinanzierung von 5,1 Millionen Euro, das heißt pro ambulantem Notfall eine Unterfinanzierung zwischen 70 und 80 Euro.

Keine Vergütung für Ärzteausbildung
So wie Universitätskliniken haben die kommunalen Maximalversorger einen großen Anteil an der Facharztausbildung in Deutschland, ohne dafür eine Vergütung zu erhalten. Junge Ärztinnen und Ärzte schätzen das breite Spektrum und hohe Niveau für ihre Ausbildung, bevor sie sich niederlassen oder in eine Spezialklinik oder ein kleineres Haus gehen.

Unterfinanzierung der Investitionen
Auch die Unter- oder Nichtfinanzierung von Investitionen (Gebäude, Infrastruktur, Medizintechnik), für die die Länder zuständig sind, ist ein Thema, das die Städte mit Maximalversorgern vor große Probleme stellen wird. Während „reiche“ Städte seit Jahren erhebliche Summen in ihre Häuser transferieren können, haben die meisten anderen Städte diese Möglichkeit nicht. Obwohl im Klinikum in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich 3,8 Millionen Euro pro Jahr aus Eigenmitteln (zusätzlich zu den Fördermitteln) für Investitionen ausgegeben wurden, hat sich das Anlagevermögen um durchschnittlich 10 Millionen Euro pro Jahr verringert. Inflationsbereinigt entspricht dies einem jährlichen Substanzwertverlust von circa 15 Millionen Euro pro Jahr. Die Finanzierungslücke in der Investitionsförderung kann im Klinikum Nürnberg daher mit circa 19 Millionen Euro pro Jahr beziffert werden.

Die Forderungen des Städtetags
Vor dem Hintergrund dieser und weiterer zunehmender Probleme der kommunalen Maximalversorger hat die Hauptgeschäftsstelle des Deutschen Städtetags zu Beginn des Jahres 2021 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um Überlegungen zur Verbesserung der Lage kommunaler Krankenhäuser zu beraten. Ihr gehören Vertreterinnen und Vertreter des Gesundheits- und des Finanzausschusses, der Konferenz der kommunalen Krankenhäuser sowie betroffener Städte an. Die Stadt Nürnberg wird von Kämmerer Harald Riedel, der auch Vorsitzender des Finanzausschusses des Deutschen Städtetags ist, vertreten. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, Forderungen an Bund und Länder zu adressieren, um dem negativen Trend der strukturellen Unterfinanzierung insbesondere kommunaler Großkrankenhäuser entgegenzuwirken.

Der Deutsche Städtetag sowie die Standortstädte der Maximalversorger und Schwerpunktkrankenhäuser fordern konkret: Der Bund muss Rahmenbedingungen schaffen, damit die Betriebskosten auskömmlich finanziert werden können, damit Tarifsteigerungen aller Berufsgruppen im Krankenhaus vollständig refinanziert werden, damit strukturell unterfinanzierte Leistungsbereiche wie etwa Geburts- und Kinderkliniken finanziell klarkommen und damit Infrastruktur für Notfallbehandlungen und medizinische Versorgung vorgehalten werden kann und grundfinanziert wird.

Die Länder müssen ihrer Investitionsverpflichtung nachkommen: Sie müssen die milliardenschwere Lücke bei der Förderung von Investitionen schließen. Der Investitionsstau der vergangenen zehn Jahre von mindestens 30 Milliarden Euro muss zügig aufgelöst werden.

Im Interesse am Gemeinwohl dürfen Bund und Länder nicht die Augen davor verschließen, welche Aufgaben große kommunale Krankenhäuser zur Daseinsvorsorge leisten. Gerade in Krisenzeiten stehen sie mit ihrem Personal und ihrer Infrastruktur dem öffentlichen Gesundheitsdienst zur Seite und nehmen ihre Verantwortung wahr. jos

Stadt Nürnberg

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