Nr. 1334 / 23.11.2022
Jede dritte Frau erlebt weltweit häusliche oder sexualisierte Gewalt. Scham oder Angst verhindern zunächst den Gang zur Polizei. Fällt diese Entscheidung später, kann oft keine gerichtsfeste Beweissicherung mehr durchgeführt werden, sodass es in einem Verfahren häufig zu einem Freispruch kommt. Seit März 2020 gibt es in Deutschland ein Gesetz zur vertraulichen Spurensicherung. Bis dato ist jedoch die anonymisierte Abrechnung mit den Krankenkassen im Falle einer vertraulichen Spurensicherung noch nicht geregelt. In Zusammenarbeit mit den Gleichstellungsstellen in Mittelfranken hat Nürnbergs Frauenbeauftragte Hedwig Schouten die Vernetzung von Beratungsstellen und Kliniken federführend vorangetrieben, um auch in Mittelfranken Anlaufstellen dafür zu schaffen.
Die Istanbul-Konvention sieht ein flächendeckendes Angebot der anzeigenunabhängigen Spurensicherung vor. Seit Februar 2018 gilt auch in Deutschland die Istanbul-Konvention, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. „Umso wichtiger ist es, dass baldmöglichst die Verträge mit den Krankenkassen abgeschlossen werden und von Gewalt Betroffene in allen Krankenhäusern in Bayern kostenlos eine vertrauliche Spurensicherung durchführen lassen können“, sagt Hedwig Schouten, Frauenbeauftragte und Leiterin der Gleichstellungsstelle der Stadt Nürnberg.
„Die weitergehende Aufklärung übernehmen die verschiedenen Beratungsstellen in der Region“, betont Steffi Walter von der Beratungsstelle des Frauenhauses Nürnberg, eine wichtige Anlaufstelle für Betroffene. „Wir stellen bei Bedarf auch den Kontakt zu einer Klinik her, in der die vertrauliche Spurensicherung durchgeführt werden kann.“
Als erste Klinik in Mittelfranken steht dafür bereits seit über einem Jahr das Klinikum Nürnberg zur Verfügung. Roswitha Weidenhammer, Gleichstellungsbeauftragte des Klinikums Nürnberg, ergänzt: „Die persönlichen Daten werden aufgenommen, damit bei einer Anzeige die asservierten Spuren auch zweifelsfrei dem Opfer zugeordnet werden können. Eine Herausgabe der Spuren an die Polizei erfolgt nur dann, wenn sich das Opfer tatsächlich für eine Anzeige entscheidet. Die Untersuchung ist für Betroffene kostenfrei.“
Inzwischen bieten auch das Universitätsklinikum Erlangen, das Klinikum Ansbach und seit Kurzem das Klinikum Fürth die vertrauliche Spurensicherung bei sexualisierter Gewalt an. Dr. Susanne Ebner, Frauenärztin im Klinikum Fürth, erläutert: „Bei der vertraulichen Spurensicherung werden Spuren sexualisierter Gewalt ohne vorherige Anzeige bei der Polizei durch einen Arzt oder eine Ärztin gesichert und anschließend sicher im Klinikum aufbewahrt. Die betroffene Person kann dann in Ruhe entscheiden, ob sie innerhalb der Aufbewahrungsfrist Anzeige bei der Polizei erstatten will.“
Der mittelfränkische Arbeitskreis zur vertraulichen Spurensicherung hat für Betroffene von sexualisierter Gewalt einen Informationsflyer drucken lassen und auf der Website vssmittelfranken.nuernberg.de die Beratungsstellen in Mittelfranken aufgelistet. Um das Angebot bekannt zu machen führt das Bündnis zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, am Freitag, 25. November 2022, eine Postkartenaktion in Kneipen und Gaststätten in Nürnberg, Fürth, Erlangen und Ansbach durch. maj
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