Nr. 1457 / 23.12.2022
Die Stadt Nürnberg trauert um den Bürgermedaillenträger Rudi Ceslanski, der am Freitag, 16. Dezember 2022, gestorben ist. „Rudi Ceslanski hat maßgeblich zum Aufbau der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) in Nürnberg beigetragen. Er war seit 1948 Mitglied der Gemeinde. Nach dem Ende des Nazi-Terrors und des NS-Regimes hatte er sich bewusst für die Rückkehr in seine Heimatstadt Nürnberg entschieden. Ab 1996 übernahm er zentrale Aufgaben im Vorstand der IKG und vermittelte im In- und Ausland ein neues Bild von Nürnberg“, würdigt Oberbürgermeister Marcus König den Verstorbenen. „Die Stadt Nürnberg wird Rudi Ceslanski, der mit seinem unermüdlichen Engagement ein Vorbild für viele war, stets ein ehrendes Gedenken bewahren.“
Rudi Ceslanski wurde am 2. Juni 1933 – dem Jahr, in dem die Nationalsozialisten an die Macht kamen – in Nürnberg geboren. Als er gerade sechs Jahre alt war, schickten ihn seine Eltern Julius und Betti Ceslanski im August 1939 mit einem der letzten Kindertransporte zu einer Cousine nach London, um ihn vor den immer brutaler auftretenden Nazis in Sicherheit zu bringen. Die gesamte Kriegszeit verbrachte er als Flüchtlingskind in England; jahrelang mit hunderttausenden anderen Kindern evakuiert im Norden der Insel, zuletzt in einem Heim. Zu seinen Eltern hatte der Junge keinen Kontakt. Er lernte die englische Sprache und vergaß die deutsche.
Julius und Betti Ceslanski waren am 29. November 1941 von Nürnberg aus über Riga in das KZ Jungfernhof deportiert worden. 1942 kamen sie in das Vernichtungslager Stutthof bei Danzig. Die Eheleute Julius und Betti Ceslanski sahen sich nie mehr wieder. Erst Jahrzehnte nach dem Krieg konnte ermittelt werden, dass Betti Ceslanski am 12. Dezember 1944 in Stutthof gestorben war. Sie war 32 Jahre alt. Ihr Mann Julius überlebte den Holocaust im KZ Theresienstadt.
Nach dem Krieg lebte Rudi Ceslanski wieder bei seiner Cousine in London. 1946 überbrachte ein amerikanischer Soldat die Nachricht, dass er zufällig seinen Vater in Ansbach getroffen habe. Nach sieben Jahren der Trennung kehrte Rudi Ceslanski zu seinem Vater nach Deutschland zurück. Er kam in die Oberrealschule und lernte wieder Deutsch. Nach dem Schulabschluss wurde er dank seiner Englischkenntnisse im Übersetzungsbüro der MAN in Nürnberg angestellt. Dort war Ceslanski von 1953 bis zu seinem Ruhestand 1996 beschäftigt, die letzten zehn Jahre als Leiter des gesamten Übersetzungsbüros. Nach dem Ende seiner beruflichen Tätigkeit engagierte er sich immer stärker in der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg. Ab 1996 war er 2. Vorsitzender der Gemeinde. Nach dem Tod des langjährigen Vorsitzenden Arno Hamburger im Jahr 2013 übernahm er die Aufgabe, die Gemeinde verantwortlich zu leiten, ehe Ende 2016 Jo-Achim Hamburger zum 1. Vorsitzenden gewählt wurde.
Trotz der schrecklichen Erfahrungen in Nazi-Deutschland und den Morden an seinen engsten Familienangehörigen war Rudi Ceslanski an den Ort der Täter zurückgekehrt. In Nürnberg hat er wieder seine Heimat gefunden. Fortan hatte er immer versucht, ohne Ressentiments zu handeln. Unvoreingenommen ging er auf alle Menschen zu, hatte für jeden und jede ein offenes Ohr. Rudi Ceslanski stellte sich immer vorbehaltlos in den Dienst seiner Gemeinde. Seinen Freund Arno Hamburger unterstützte er über viele Jahre mit all seinen Kräften. Er übernahm kleine und große Aufgaben mit sehr großem Engagement. Zeugnis abzulegen gerade vor jungen Menschen, war ihm ein besonderes Anliegen. Das „Nie wieder!“ versuchte Rudi Ceslanski vielen zu vermitteln.
Eine große Bescheidenheit kennzeichnete Rudi Ceslanski. Dabei hatte er sich nicht nur um die Israelitische Kultusgemeinde große Verdienste erworben. Die Pflege der beiden Friedhöfe hatte er sich schon lange zu seiner Aufgabe gemacht. Besonders eingesetzt hatte er sich für die Wiederherstellung der wiederentdeckten Ornamente in der Aussegnungshalle, die aus dem Jahr 1907 stammen. Sein aufopferungsvolle ehrenamtliche Arbeit brachte ihm sehr viel internationale Anerkennung ein. Nach dem Tod von Arno Hamburger stellte er sich ganz in den Dienst der IKG und führte auch mit seiner ausgleichenden und feinen Art die Gemeinde in eine gute Zukunft.
Mit seiner engagierten Arbeit, auch bei der Betreuung vieler Besuchergruppen aus aller Welt, hatte Rudi Ceslanski das Bild eines neuen Nürnberg vermittelt, das längst aus dem Schatten der NS-Zeit herausgetreten war und sich heute dem Frieden und den Menschenrechten stärker denn je verpflichtet weiß. Rudi Ceslanski war ein Mann der Versöhnung, der mit seinem Handeln vielen ein Beispiel war. In Anerkennung seiner Verdienste verlieh die Stadt Nürnberg ihm im Jahr 2017 die Bürgermedaille, die zweithöchste Auszeichnung der Stadt. fra
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