Nachrichten aus dem Rathaus

Nr. 68 / 30.01.2023

Internationaler Nürnberger Menschenrechtspreis 2023 geht an Malcolm Bidali aus Kenia

Für seinen unbeirrten Kampf gegen die Ausbeutung von Arbeitsmigrantinnen und -migranten erhält Malcolm Bidali aus Kenia den Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis 2023. Das hat die internationale Jury unter Vorsitz von Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König in ihrer Sitzung am Samstag, 28. Januar 2023, beschlossen. Der 30-jährige Blogger und Menschenrechtsaktivist, der von 2018 bis 2021 in Katar als Wachmann gearbeitet hat, bekommt die mit 25 000 Euro dotierte Auszeichnung, weil er „eine der wenigen mutigen Stimmen ist, die sich gegen den Missbrauch und die Ausbeutung von immigrierten Arbeitskräften in Katar, vor allem im Dienstleistungsbereich, aussprechen“, so die Jury in ihrer Begründung.

Wie unzählige Arbeitsmigrantinnen und -migranten litt auch Malcolm Bidali während seiner Tätigkeit als Sicherheitsbediensteter in den Jahren von 2018 bis 2021 in Katar unter äußerst schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen. Weil seine Beschwerden gegenüber Behörden erfolglos blieben, veröffentlichte er unter dem Pseudonym Noah auf Kanälen wie Twitter und Instagram erlebte und beobachtete Menschenrechtsverletzungen. „Der Wohlstand einer Gesellschaft darf nicht auf der Ausbeutung von Menschen basieren. Wir sind aufgerufen, diejenigen zu unterstützen, die mutig dagegen ihre Stimme erheben. Das gilt auch und gerade, wenn sich die öffentliche Aufmerksamkeit wieder von dem Thema abwendet“, betont Oberbürgermeister Marcus König.

Schwierige Arbeits- und Lebensbedingungen

Malcolm Bidalis Artikel und Schilderungen geben aus Sicht der internationalen Preis-Jury „einen intimen Einblick in die Arbeits- und Lebensbedingungen von Niedriglohnmigrantinnen und -migranten. Er beschrieb überfüllte Schlafsäle, beschlagnahmte Pässe, überlange Arbeitszeiten, den Mangel an Privatsphäre und seine erfolglosen Versuche, eine bessere Behandlung zu erreichen“. Im Mai 2021 war Bidali in Katar inhaftiert worden – nachdem er wenige Tage zuvor bei einer Onlineveranstaltung über die schwierige Situation von Arbeitsmigrantinnen und -migranten gesprochen hatte. Weder sein Aufenthaltsort wurde bekanntgegeben noch erhielt er während seiner Inhaftierung Zugang zu einem Rechtsbeistand. Der gegen ihn erhobene Vorwurf lautete: Er habe „falsche Nachrichten mit der Absicht, das öffentliche System des Staates zu gefährden“, veröffentlicht. Nur mit Hilfe von Menschenrechtsorganisationen und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) kam Bidali nach 30 Tagen Einzelhaft frei und konnte schließlich nach Zahlung einer gegen ihn verhängten Geldstrafe von umgerechnet etwa 6 000 Euro das Emirat im Juli 2021 verlassen und nach Kenia zurückkehren.

Kampf für die Rechte von Wanderarbeiterinnen und -arbeitern

Gemeinsam mit einer Kollegin, die als Hausangestellte in Bahrain tätig war, gründete Malcolm Bidali die zivilgesellschaftliche Organisation Migrant Defenders.org, die sich für die Rechte von Wanderarbeiterinnen und -arbeitern einsetzt. Dabei fordert er auch, dass sein Heimatland Kenia als Entsendestaat von Arbeitsmigrantinnen und -migranten seiner menschenrechtlichen Verantwortung gerecht werden müsse. Das Emirat Katar, Austragungsort der Fußball-Weltmeisterschaft 2022, hat die höchste Quote an Arbeitsmigranten der Welt und ist von zwei Millionen Arbeitsmigranten abhängig, die etwa 95 Prozent der gesamten Erwerbsbevölkerung des Landes ausmachen. Die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen, die zu den Menschenrechtsübereinkommen der Vereinten Nationen zählt und seit 1. Juli 2003 in Kraft ist, hat Katar nicht unterzeichnet. 

„Obwohl zwischenzeitlich in einigen Golfstaaten vier von fünf Einwohnerinnen und Einwohnern zugewanderte Arbeitskräfte sind, werden diese von Behörden, Arbeitgebern und Einheimischen oft als Menschen zweiter Klasse behandelt. Ihre Abhängigkeit von den jeweiligen Auftrag- und Arbeitgebern führt zu Arbeitsbedingungen, die häufig an Zwangsarbeit und moderne Sklaverei erinnern“, heißt es in der Jury-Begründung weiter. Gleichwohl will die Jury mit der Vergabe des diesjährigen Preises den Fokus auch auf die weltweite Ausbeutung von Arbeitsmigrantinnen und -migranten richten. Denn auch in Europa habe sich gerade während der Covid-Pandemie gezeigt, dass zugewanderte Arbeitskräfte in prekären Verhältnissen das schwächste Glied in der Beschäftigungskette sind.

Arbeitsmigration ein weltweites Thema

„In Zeiten vielfältiger politischer Krisen dürfen wir die sozialen Menschenrechte nicht aus den Augen verlieren. Mit der Entscheidung für diesen jungen Mann, der es geschafft hat, den Fokus auf Katar zu richten, wollen wir das Thema Arbeitsmigration wieder stärker auf die internationale Agenda setzen“, betont Jury-Mitglied Morten Kjaerum, Vorsitzender des Europäischen Rates für Flüchtlinge und Exilanten. Neben Morten Kjærum und Oberbürgermeister Marcus König sind Prof. Dr. Jean Ahn, Iris Berben, Anne Brasseur, Prof. Dr. Hilal Elver, Noa Karavan-Cohen, Kagwiria Mbogori und Gladys Acosta Vargas weitere prominente Mitglieder der neunköpfigen Jury.

Seit 1995 vergibt die Stadt Nürnberg alle zwei Jahre die Auszeichnung an Personen, die sich zum Teil unter erheblichen persönlichen Risiken für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen. Der Preis ist laut Satzung ein Symbol dafür, dass von Nürnberg, der einstigen Stadt der nationalsozialistischen Reichsparteitage und der menschenverachtenden NS-Rassegesetze, „in Gegenwart und Zukunft nur noch Signale des Friedens und der Völkerverständigung ausgehen“.

Die 15. Preisverleihung findet am Sonntag, 24. September 2023, traditionell im Nürnberger Opernhaus statt.      maj

Weitere Informationen zum Preis, zur Jury und zum Preisträger unter

menschenrechte.nuernberg.de und 

https://migrantdefenders.org/

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