Streifzug durch 103 Jahre Gesundheitsamt Nürnberg

103 Jahre Gesundheitsamt = 103 Jahre kommunale Sorge um die Gesundheit der Bürgerschaft !

"Der Gesundheitszustand der Menschen in dieser Stadt ist das Abbild der Stadtgeschichte im Kontext der Weltgeschichte: Kriege, Seuchen, Epidemien und -wie jüngst- eine Pandemie schreiben sich gleichsam in die Körper und Psyche einer Stadtgesellschaft ein.
Dies auch im positiven Sinne: Denn das Gesundheitsamt bündelte seit seiner Gründung im Jahre 1920 beispielsweise mit seiner 'Abteilung zur Bekämpfung allgemeingefährlicher Krankheiten' diejenigen Player im Gesundheitswesen der Stadt, deren Kooperation letztlich zu einem massiven Rückgang der Tuberkulose und anderer Infektionskrankheiten geführt hatte."

Oberbürgermeister Marcus König

Gesundheitsamt 1959

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Im Jahr 1958/59 wurde das Gesundheitsamt an der Burgstrasse 4 gebaut. Es entstand auf dem Areal des früheren Dominikanerklosters, das 1945 fast komplett zerstört worden war.

103 Jahre öffentliches Gesundheitswesen für Nürnberg

In Nürnberg wurde wie anderorts auf kirchliche sowie private Stiftungstätigkeit und das Engagement Einzelner gesetzt: So gründete Konrad Groß, Ratsmitglied und Kaufmann, im Jahr 1339 beispielsweise das Heilig-Geist-Spital als Krankenhaus für "Sieche" (im Sinne von schwer Erkrankten) und Altersheim für mittellose und arbeitsunfähige Menschen in Trägerschaft der Stadt.

Als Reaktion auf Seuchen, Kriege und Hungersnöte stellte der Rat der Reichsstadt Nürnberg Stadtärzte ein. Im Jahr 1592 wurde mit der Medizinalordnung das "Collegium Medicum Norimbergense" eingerichtet, wodurch die medizinische Versorgung in geordnete Bahnen gelenkt werden sollte, um die Krankenpflege sowohl für die Stadtbevölkerung als auch für Gäste der Stadt sicherzustellen.

Der 1874 gegründete "Verein für öffentliche Gesundheitspflege", dem neben Medizinern und Naturwissenschaftlern auch Vertreter der städtischen Verwaltung und des Wirtschaftsbürgertums angehörten, hatte maßgeblichen Einfluss auf den Bau und Betrieb von Spitälern, Krankenanstalten, sogenannten "Irrenanstalten", Friedhöfen und Freibädern.

Während der Industrialisierung ab 1850 explodierte die Bevölkerungszahl in Nürnberg von rund 25 000 Einwohnern (1806) auf über 260 000 Einwohner (1900).

Damit wuchs die Notwendigkeit, die Gesundheitsvorsorge und -fürsorge sukzessive "mitwachsen" zu lassen. Um 1900 hatte Nürnberg eine der größten Geburtenraten seiner Geschichte. Dementsprechend hoch fiel die Säuglingssterblichkeit aus.

Deshalb setzte der Magistrat der Stadt Nürnberg fünf Mütterberatungsstellen über das Stadtgebiet verteilt ein. Damit war Nürnberg nach Berlin und München die dritte Stadt in Deutschland, die das Fürsorge-Angebot massiv ausbaute. Mit Erfolg: Die Säuglingssterblichkeit ging rapide zurück.

Die Stadt übernahm daher frühzeitig Verantwortung für die Gesundheitsvorsorge an Schulen: Ab dem Schuljahr 1898/99 - und damit als eine der ersten Städte Deutschlands- versahen Schulärzte ihren Dienst in den Schulen. Nachdem die Schulärzte festgestellt hatten, dass rund 90 % der Grundschüler in Nürnberg an Karies erkrankt waren, sichtete die Stadt 1911 eine eigene Schulzahnklinik ein.


Der Erste Weltkrieg machte alle Präventiv-Maßnahmen bei den breiten Bevölkerungsschichten Nürnbergs zunichte: der Wohnungsmangel war eklatant, die Ernährungslage wie überall im Reich angespannt: Nur 40 % des Normalbedarfs an Lebensmitteln konnte in Nürnberg zugewiesen werden.

Weltweit breitete sich die Spanische Grippe aus und erreichte Nürnberg im Sommer 1918. Innerhalb von sechs Tagen wurden 3 000 Neuerkrankungen gemeldet. Die Krankenhäuser waren überfüllt. 1500 Menschen starben in Nürnberg daran, weltweit wurden 50 Millionen Tote bei dieser Influenzapandemie registriert.

Auch ohne Influenza entwickelte sich in den Nachkriegsjahren die Kindersterblichkeit steil nach oben.

Der Stadtrat erkannte die Notwendigkeit der Gründung einer kommunalen Institution für die Bündelung des Gesundheits- und Fürsorgewesens. Hier sollte sich fortan um Seuchenbekämpfung, Schulspeisung, um Alkohol- und Geschlechtskranke, das Prostitutionswesen und die Gesundheitsvorsorge in Schulen sowie die Zurückdrängung von Tuberkulose innerhalb der Stadtbevölkerung gekümmert werden - in enger Kooperation mit den bereits bestehenden privat entstandenen Vereinen, die sich bereits seit Jahrzehnten mit den drängendsten Gesundheitsthemen befassten.

So entstand am 1. Juli 1920 das Gesundheitsamt. Seine ersten Räumlichkeiten lagen im Alten Rathaus/Wolff'scher Bau längs der Rathausgasse.

Das erste Gesundheitsamt wurde in einem Flügel des Rathauses im Wolff'schen Bau längs der Rathausgasse untergebracht.

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Das erste Nürnberger Gesundheitsamt wurde 1920 in einem Flügel des Rathauses Wolff'scher Bau längs der Rathausgasse untergebracht.

Institutionalisiertes Privat-Engagement in der Gesundheitsfürsorge

Zuvor hatte der Stadtrat Lösungsvorschläge erarbeitet und zog als Matrix das während des Ersten Weltkrieges errichtete Wohlfahrtsamt heran. Dessen Gründer und Referent war Dr. Herrmann Heimerich, der profilierteste Nürnberger Sozialpolitiker seiner Zeit.

Die kommunale Gesundheitsfürsorge wurde trotz knapper Kassen im nunmehr sozialdemokratisch regierten Nürnberg massiv ausgebaut. Der Auftrag ans Gesundheitsamt lautete im besten Amtsdeutsch: " Die zusammenfassende Behandlung der bisher auf einzelnen Gebieten verstreut erledigten Fragen sanitärer und sozialhygienischer Natur".

Von Anfang kam es zum "Outsourcing" vieler Tätigkeiten an freie Träger. Bereits 1928 flossen 28 % des Haushalts in Zuschüsse für private und konfessionelle Vereine und Anstalten im Dienst der Gesundheit der Nürnbergerinnen und Nürnberger.

Der Fürsorgegedanke anstatt "Gesundheitspolizei" stand im Vordergrund. Vorbeugende Gesundheitspflege war die Devise.

Die Erfolge konnten sich sehen lassen: Es kam zu keinem Ausbruch von Cholera, Blattern und Fleckfieber, die in vielen anderen Großstädten in den 1920er Jahren massiv grassierten.
Ebenso wichtig war die Bekämpfung von Typhus, Scharlach, Diphterie und Ruhr.

Das Ende des Ersten Weltkriegs markierte den Beginn einer weiteren Welle von Tuberkulose. Ein Arzt der Landesversicherungsanstalt untersucht hier einen jungen Tuberkulosekranken. Das Bild enstand um 1920.

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Bereits während des Ersten Weltkriegs hatte sich aufgrund der Mangelernährung und der engen Wohnverhältnisse eine weitere Tuberkulose-Welle aufgebaut. Ein Arzt der Landesversicherungsanstalt untersucht hier in der Lungenheilstätte Pappenheim einen jungen Tuberkulosekranken. Das Bild entstand vor 1920. Die Stadt Nürnberg ließ bis 1922 das Johannisheim in der Johannisstrasse 151a wurde für Tuberkulosekranke bauen. Später befand sich dies in Schnieglinger Straße 185-187. Weitere Außenstellungen, auch für TB-Kranke Kinder, wurden geschaffen.

Festschrift "100 Jahre Gesundheitsamt. Von den Gründerjahren bis zur Corona-Pandemie"

Zu seinem Jubiläum hat das Gesundheitsamt eine Festschrift erstellen lassen:

Daniel Gürtler und Pascal Metzger: 100 Jahre Gesundheitsamt. Von den Gründerjahren bis zur Corona-Pandemie, Nürnberg 2023.

Das Buch ist zum Preis von 14.80 Euro im Vorzimmer des Gesundheitsamts, Burgstraße 2-4, 90403 Nürnberg, 1. Stock im Zimmer 125 ("an der Treppe rechts") erhältlich.

Die Bezahlung kann mit Bargeld oder auch per Karte erfolgen in der danebengelegenen Barkasse des Kassen- und Steueramts, das mit dem Gesundheitsamt räumlich verbunden ist. Öffnungszeiten: Montags bis freitags, 8.30 bis 12:30 Uhr.

Alternativ kann das Buch auch im Online-Shop des Vereins Geschichte für Alle e.V. bestellt werden.

Wer keine Festschrift kaufen möchte, aber dennoch etwas von der Geschichte des Gesundheitsamts erfahren möchte, ist herzlich zum Streifzug durch die Nürnberger Gesundheitsgeschichte auf dem Portal des Gesundheitsamts eingeladen.

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