Luftaufnahme des Max-Morlock-Stadions mit Schriftzug der Kampagne "Zukunft Stadionareal"

Zukunft Stadionareal

Interview: Stadionumbau in Münster als Vorbild für Nürnberg?

Das Stadion in Münster wird erweitert und modernisiert. Münster geht mit der Beauftragung eines Totalübernehmers dabei einen ähnlichen Weg, wie ihn auch das Nürnberger Projekt gehen soll, ist aber bereits mehrere Schritte voraus. Die Bauarbeiten am LVM-Preußenstadion haben bereits begonnen. Dr. Markus Sass ist seit Januar 2024 Geschäftsführer Finanzen, Stadion & Organisation des SC Preußen Münster. Wir haben ihm Fragen rund um den Stadionumbau in Münster gestellt:

Was war der Grund für den Aus- und Umbau des vorhandenen Stadions?

Das heutige LVM-Preußenstadion verfügt über eine modernen Haupttribüne aus dem Jahr 2008, alle anderen Tribünen sind jedoch von 1926 und haben über all die Jahrzehnte allenfalls kosmetische Renovierungen erfahren. Die Bausubstanz ist in vielen Bereich in einem altersgemäß schlechten Zustand, der Besucherkomfort mit zahlreichen unüberdachten und vom Spielgeschehen weit entfernten Stehplätzen längst nicht mehr zeitgemäß. Das alte Stadion ist mit Blick auf Betriebskosten und Erlöspotentiale unwirtschaftlich und genügt auch in vielerlei Hinsicht nicht den Lizenzanforderungen der Verbände.

Im Zuge von Machbarkeitsstudien und Wirtschaftlichkeitsanalysen hat sich jedoch klar gezeigt, dass ein modernes Stadion in einer Stadt mit einem derart potenzialreichen Umfeld wie Münster und das ganze Münsterland es bietet, nachhaltig finanzierbaren Profifußball ermöglichen würde und dass auch die Stadt Münster als Eigentümerin und Bauherrin des Stadions von signifikanten regionalökonomischen Effekten eines sportlich erfolgreichen SC Preußen Münster profitieren würde.

Was wird gemacht und wie teuer wird das neue LVM-Preußenstadion sein?

Das Stadion wird im Betrieb mit Ausnahme der bestehenden Haupttribüne vollständig nach und nach umgebaut. Die Kapazität steigt von heute 12.400 auf dann knapp über 19.000 Plätze. Dabei entsteht eine mundlochfreie und damit atmosphärisch einmalige Stehplatztribüne mit knapp 8.700 Plätzen und circa 1.000 für den Club wirtschaftlich enorm wichtige neue VIP- und Business Seats. Das umgebaute LVM-Preußenstadion wird zudem als erstes Stadion dieser Größenordnung die gesetzlich verankerte Quote von 1 % Rollstuhlkapazität erfüllen. In einer der Ecken des Stadions entsteht ein vierstöckiges Funktionsgebäude, das auf zwei Etagen eine Kindertagesstätte und darüber die neue Geschäftsstelle des SC Preußen beheimaten wird. Das neue Stadion wird sich durch ein sehr hohes Maß an Inklusion und ökologischer Nachhaltigkeit auszeichnen. Dazu gehören neben den vielen Plätzen für Menschen mit Behinderung z. B. auch ein ausgeklügeltes Energiekonzept mit großen Anteilen aus Fernwärme, Großwärmepumpe und Photovoltaik, als auch über 7.000 Stellflächen für Fahrräder, die durch eine Neuorganisation der Außenanlagen des Stadions gewonnen werden.

Das Gesamtbudget für das Projekt beträgt circa 93 Millionen Euro. Davon entfallen knapp 60 Millionen auf den eigentlichen Stadionumbau, der Rest verteilt sich z. B. auf den Bau der Kindertagesstätte, die neue Energiezentrale, von der auch die Anrainer profitieren werden, Abbruchkosten, Baunebenkosten und Risikorückstellungen.

Wie wird die Investition finanziert?

Die Stadt Münster als Bauherrin übernimmt zunächst die vollständige Finanzierung des Stadions. Der SC Preußen trägt als heutiger und künftiger Betreiber nur einen kleinen Teil der Investitionskosten, z. B. für Sonder-Ausstattungsgegenstände wie Kassensysteme in den Kiosken oder Drehkreuzanlagen. Der Club zahlt als Betreiber des Stadions die Investition dann über eine ligaabhängige Pacht über die Jahre vollständig zurück. Diese Refinanzierung gelingt in der 2. Bundesliga dank der massiv gesteigerten Erlöspotentiale des umgebauten Stadions in Kombination mit den wirtschaftlichen Randbedingung (TV-Erlöse usw.) einigermaßen unproblematisch. In der 3. Liga, die für einen Club wie Preußen Münster natürlich seriöserweise immer mitbedacht werden muss, sind hingegen beihilferechtlich mögliche Betriebskostenzuschüsse der Stadt Münster nötig, um den Club durch die hohen künftigen Pachtzahlungen wirtschaftlich nicht zu überlasten.

Stadt und Verein haben 2018 eine Übereinkunft für die Modernisierung und den Ausbau des Stadions erzielt. Was ist seitdem passiert?

Der Weg zum Umbau begann mit zwei aufeinander aufbauenden Machbarkeitsstudien in den Jahren 2020 und 2021. Darauf folgten einige Grundsatzbeschlüsse des Münsteraner Stadtrats, das Absichern der Finanzierung, die Klärung von Beihilfe- und Umsatzsteuerrechtlichen Fragestellungen und die Einrichtung einer Projektgruppe zur Umsetzung des Projekts unter Beteiligung einer Tochter der Stadtwerke Münster als Geschäftsbesorgerin für die Stadt. All dies mündete dann in einem circa 15-monatigen Vergabeverfahren für die Suche eines Totalunternehmers, der Planung und Bau aus einer Hand anbieten sollte. Ein solches Verfahren erfordert im Vergleich zu klassischeren Vergabemodellen, bei der z. B. erstmal ein Architekturwettbewerb durchgeführt wird, eine sehr zeitintensive Vorbereitung, da der Totalunternehmer auf Basis einer mehrere hundert Seiten fassenden „Funktionalen Leistungsbeschreibung“ sein Angebot erstellt und es hinterher kaum noch Spielraum für Veränderungen gibt.
Das Verfahren konnte dann schließlich im September 2024 mit der Beauftragung der Hellmich Unternehmensgruppe erfolgreich abgeschlossen werden. Seit Februar 2025 läuft der Neubau der Westtribüne.

Haben Sie keine Sorge, dass über die lange Entwicklungsphase die Kosten nicht aus dem Ruder laufen? Wie haben sich die Kosten bisher entwickelt?

Der Vorteil einer Totalunternehmervergabe besteht darin, dass sie direkt mit der Vergabe eines Bauauftrags endet, d. h. mit Vergabe entsteht für den Auftraggeber eine vertraglich abgesicherte hohe Termin-, Qualitäts- und Kostensicherheit. Je gründlicher im Vorfeld die Funktionale Leistungsbeschreibung erstellt wurde, desto geringer ist dann auch die Gefahr kostspieliger Nachträge, weil man vielleicht irgendetwas relevantes übersehen hat.

Im vorliegenden Fall hat die Projektgruppe der Stadt Münster zudem auf vorbildhafte Art und Weise schon während der verschiedenen indikativen Angebotsrunden der Totalunternehmersuche sowohl uns als Club als auch die genehmigungsrelevanten Ämter innerhalb der Stadtverwaltung bei allen wichtigen Abstimmungsfragen involviert. Da böse Überraschungen so im Vorfeld ausgeschlossen werden konnten, war im Anschluss der Vergabe der Weg frei für eine wirklich außergewöhnlich schnell erteilte Teilbaugenehmigung. Die Gesamtbaugenehmigung soll ebenfalls absehbar erteilt werden.
Im Ergebnis ist das Projekt aktuell mehrere Monate vor dem eigentlichen Zeitplan und Nachträge sind bisher nur entstanden, weil der SCP sich in der Zwischenzeit sowohl sportlich als auch wirtschaftlich sehr positiv entwickelt hat und somit noch ein paar gewinnbringende „Extras“ zwischenzeitlich finanzierbar wurden.

Sitzschalen im Max-Morlock-Stadion, Bild © Martina Klimm / Stadt Nürnberg

Man hat den Eindruck, dass ganz Münster hinter dem Stadionprojekt steht. Gab es auch Widerstand?

Tatsächlich wird das Stadionprojekt in Münster von einer sehr breiten politischen Mehrheit getragen und ist auch in der Öffentlichkeit voll akzeptiert. Das Projekt ist aber eben auch auf sehr vielen Ebenen anschlussfähig, z. B. in Bezug auf die enormen Verbesserungen bei Inklusion und Nachhaltigkeit, die Integration einer Kita, der Aussicht auf finanzierbaren Profifußball, der trotz der momentanen Zweitligazugehörigkeit des SCP erst mit der modernisierten Infrastruktur wirklich nachhaltig möglich wird, oder die nachweislich vorhandenen regionalökonomischen Effekte im hohen zweistelligen Millionenbereich, von denen Stadt und Umland profitieren.

Zudem ist das Projekt baulich wie wirtschaftlich sehr seriös geplant und transparent kommuniziert. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass durch den Umbau an Ort und Stelle ein sehr traditionsreicher und liebgewonnener Standort in Innenstadtlage erhalten bleibt und dadurch auch der Stadtteil Berg Fidel, in dem das Stadion liegt, eine spürbare Aufwertung erfährt. Darüber hinaus sind durch die Wahl des Vergabemodells Kostenexplosionen und Terminverzögerungen weitgehend ausgeschlossen. Und: Der SC Preußen hat zudem in den letzten Jahren eine fast unglaubliche sportliche Erfolgsgeschichte geschrieben, was natürlich das Projekt auch sehr beflügelt hat.

Auf was sollen die Nürnberger aufpassen, damit der Ausbau und Umbau ihres Stadions möglichst reibungslos gelingt?

Das kann man aus der Ferne selbst mit etwas Expertenwissen natürlich nur ganz schwer beurteilen. Jedes Stadionprojekt hat seine eigenen Herausforderungen, unterscheidet sich bezüglich der Ausgangsbedingungen enorm von jedem anderen Projekt und braucht daher auch stets immer seinen ganz eigenen Weg.
Als Stadionfreund, der ich ja generell bin, werde ich die Entwicklung aber auf jeden Fall aufmerksam verfolgen und allen Beteiligten in Nürnberg fest die Daumen drücken, dass das Stadionprojekt ein voller Erfolg wird!

Das Interview mit Dr. Markus Sass wurde von der Stadt Nürnberg im Sommer 2025 geführt, unterstützt durch André Fischer. Das gesamte Interview mit weiteren Fragen finden Sie in seinem Blog Nxrnberg:

  • Zum ganzen Interview<https://nxrnberg.de/artikel/2025/06/nuernberg-stadion-modernisierung-muenster-vorbild>