Im Ausstellungskabinett: "Frauen machen Druck!"

Ausstellung ab Dienstag, 23. Mai bis Samstag, 19. August 2023
Frauen als Unternehmerinnen in der Frühen Neuzeit – ein derzeit aktuelles Forschungsthema, das die Stadtbibliothek begleitend zum Deutschen Evangelischen Kirchentag in Nürnberg aufgreift: In einer Ausstellung werden 14 Buchdruckerinnen in Nürnberg und Altdorf aus der Zeit zwischen ca. 1530 und 1730 vorgestellt.
Das Handwerk war über Jahrhunderte hinweg eine „Männersache“. Frauen waren in der Regel von der Lehre ausgeschlossen, wurden aber vielfach für Hilfsdienste in den Werkstätten herangezogen. Töchter und Ehefrauen gewannen so Einblicke in die Arbeitsprozesse der von ihren Vätern oder Ehemännern ausgeübten Gewerbe. Sie eigneten sich in einer Produktionsgemeinschaft oder als Arbeitspaar ein Erfahrungswissen an, das sie befähigte, die Leitung einer Werkstatt zu übernehmen: Im Witwenstand durften sie nach dem Tod ihres Mannes das Handwerk weiterbetreiben – entweder vorübergehend bis zur Wiederverheiratung beziehungsweise bis zur Übergabe an einen Erben oder dauerhaft. In einer Zeit ohne Sozialkassen und Rentenversorgung sicherte diese Regelung im Handwerkerrecht die Selbstversorgung der Witwen und sollte sie vor einem Abgleiten in die Armut beziehungsweise der Abhängigkeit von Almosen bewahren.
In keinem anderen Handwerk lässt sich die Tätigkeit einer Witwe so gut nachverfolgen wie im Buchdruck: Während die Produkte fast aller anderen Gewerbe im Verlauf der Jahrhunderte verloren gegangen sind, haben sich die Druckerzeugnisse in großer Zahl erhalten. Die Verpflichtung zur Angabe von Druckort, Drucker und Erscheinungsjahr im Impressum in Kombination mit einer hervorragenden Erschließung insbesondere der Drucke des 16. und 17. Jahrhunderts für die Städte Nürnberg und Altdorf erlauben eine gezielte Suche und eine genaue Abgrenzung der Produktion der Frauen von der ihrer Männer.
Kunigunde Hergot
Nachdem der Drucker Hans Hergot am 20. Mai 1527 wegen der Beteiligung an einer zu Aufruhr verleitenden Schrift auf dem Marktplatz in Leipzig hingerichtet worden war, musste seine Witwe Kunigunde unverhofft eine der leistungsfähigsten Offizinen der Reformationszeit in Nürnberg fortführen.
Sie heiratete ein halbes Jahr später den Drucker Georg Wachter, übernahm dann aber in dessen Abwesenheit von ca. 1530 bis 1539 effektiv die Leitung der Druckerei und nannte sich in den Erscheinungsvermerken mit dem eingeführten Namen ihres verstorbenen Mannes als Kunigunde Hergot. Als neuen Schwerpunkt etablierte sie neben Reformationsschriften den Lieddruck und nutzte dabei das Bild als attraktives und verkaufsförderndes Gestaltungsmittel unter Beachtung wirtschaftlicher Aspekte: Zur Gewinnmaximierung ließ sie keine neuen Holzstöcke anfertigen, sondern aus vorhandenen Holzschnitten Landschafts- und Figurenmotive in Streifen herausschneiden und nach Bedarf neu zusammensetzen.
Katharina Gerlach und Katharina Dietrich
Viele von Kunigunde Hergots Nachfolgerinnen nahmen die Leitung nur vorübergehend bis zur Wiederverheiratung wahr. Eine herausragende Ausnahme ist Katharina Gerlach, geborene Bischoff und verwitwete Schmid: Sie pflegte aktiv die von ihren beiden Drucker-Ehemännern Johann vom Berg und Dietrich Gerlach aufgebauten Netzwerke zur Obrigkeit sowie den Musikgesellschaften und Musikförderern in Nürnberg, zu internationalen Komponisten, Theologen und Gelehrten, um die 1542 gegründete Druckerei von 1575 bis zu ihrem Tod 1591 erfolgreich fortzuführen.
Die bestehenden Schwerpunkte im Fach Theologie und im Musikdruck erweiterte sie um den Druck von Amtsschriften für den Rat und lateinische und griechische Universitätsschriften für Studenten und Professoren in Altdorf sowie um Kleinschriften zu Geburt, Hochzeit und Tod. Ihre Tochter Katharina führte eine zunächst von ihrem Ehemann, dem Schriftgießer Alexander Philipp Dietrich, genutzte Druckerei über dessen Tod hinweg fort.
Kunigunde Endter
Bemerkenswert ist die Beharrlichkeit der Kunigunde Endter, die in ständigem Zwist mit den Ratsherren während des Dreißigjährigen Kriegs den Druck von katholischen Andachtsbüchern in der evangelischen Reichsstadt Nürnberg zu etablieren suchte. Ihre Tätigkeit lässt sich nur in Schriftzeugnissen wie den Ratsverlässen fassen; keiner der für den Vertrieb im Donauhandel bestimmten Drucke konnte bisher identifiziert werden.
Margaretha Göbel
Von der Universitätsdruckerin Margaretha Göbel in Altdorf ist bekannt, dass sie in 18 Monaten rund 100 Druckaufträge bewältigte, ihr dann das Geschäft aber zu mühsam wurde und sie sich 1665 wiederverheiratete. Die gedruckte Einladung zu ihrer Trauerfeier enthält wertvolle biographische Details: Die Tochter eines Straßburger Buchdruckers war mit drei Buchdruckern verheiratet und brachte zehn meist früh verstorbene Kinder zur Welt.
Keine dieser Frauen saß am Setzkasten oder verrichtete manuelle Arbeiten an der Druckerpresse. Dafür stand ihnen mindestens ein erfahrener Geselle zur Seite. Vorhandene Abrechnungen mit eigenhändigen Unterschriften deuten auf die Übernahme von Aufgaben wie Buchführung, Verkauf und Kontaktpflege zu Autoren. Biographische Zeugnisse dieser Art sind ergänzend zu den Drucken in der Ausstellung zu sehen.
Frauen machen Druck! Nürnbergs Buchdruckerinnen der Frühen Neuzeit 23. Mai bis 19. August 2023
Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg – Stadtbibliothek Zentrum
Ebene L2, Ausstellungskabinett
Gewerbemuseumsplatz 4, 90403 Nürnberg
Öffnungszeiten Mo-Fr 11-19 Uhr, Sa 11-16 Uhr,
Sonn- und Feiertage geschlossen
Eintritt frei
Kuratorinnenführungen, Eintritt frei
Spezial:
Kuratorinnenführung im Doppelpack am 10. August, 15.30 bis 17.30 Uhr:
Von prominenten Männern zu erfolgreichen Frauen.
Die Kuratorinnen Dr. Christine Demele und Dr. Christine Sauer führen durch die Ausstellungen „Dürer und die starken Männer“ im Albrecht-Dürer-Haus und „Frauen machen Druck!“ in der Stadtbibliothek Zentrum.
Ausstellungskatalog
Der zur Ausstellung erscheinende, reich illustrierte Katalog ist an der Rezeption der Stadtbibliothek Zentrum für 16,80 Euro erhältlich.
Christine Sauer (Hrsg.): Frauen machen Druck! Nürnbergs Buchdruckerinnen der Frühen Neuzeit
(BCN Materialien - Ausstellungskatalog der Stadtbibliothek 112)
Nürnberg, 2023
ISBN 978-3-9818353-4-2
88 S.