Beginn der Planungen für den Erinnerungsort Bahnhof Märzfeld

Fassade des Bahnhofs Märzfeld. In die Sandsteinmauer sind zehn Türen eingelassen. Die modrige Mauer ist im vorderen, oberen Bereich brüchig und im Vordergrund und Hintergrund von Grün umgeben.


Der Umgang mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände ist für die Stadt Nürnberg eine besondere Verpflichtung. Als Schauplatz der nationalsozialistischen Reichsparteitage steht das Areal bis heute wie kein anderer Ort für die propagandistischen Masseninszenierungen des NS-Regimes.

Lange Zeit weniger beachtet blieb die Geschichte des Reichsparteitagsgeländes während des Zweiten Weltkriegs. Als Ergebnis eines internationalen Forschungsprojekts des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände widmeten sich 2019 eine Ausstellung und ein 2021 erschienener Begleitband diesem dunklen Kapitel. Zeugnis für diesen Teil der Geländegeschichte ist der bauliche Überrest des vormaligen Bahnhofs Märzfeld im Stadtteil Langwasser. Wie die anderen Bauten auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände steht auch die Bahnhofsanlage seit 1973 unter Denkmalschutz.

Der Bahnhof Märzfeld steht als Ort insbesondere für das Schicksal der jüdischen Bevölkerung in Franken und der Oberpfalz. Im November 1941 und März 1942 gingen von hier aus die ersten beiden größeren Deportationen mit rund 2 000 Menschen in das Lager Jungfernhof bei Riga und das Ghetto Izbica bei Lublin. Lediglich 52 Frauen und Männer der beiden Transporte überlebten den Holocaust.

Seit Kriegsbeginn kamen zudem mehrere hunderttausend Kriegsgefangene aus ganz Europa sowie zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter vor allem aus den Ländern der früheren Sowjetunion am Bahnhof Märzfeld an. Untergebracht waren sie unter anderem auf den vormaligen Lagerflächen für die Reichsparteitagsteilnehmer, dem heutigen Bereich zwischen Breslauer und Liegnitzer Straße. In Betrieben und der Landwirtschaft, in Verwaltungen oder der Rüstungsindustrie wurden sie zwangsweise als Arbeitskräfte eingesetzt oder wie im Falle der sowjetischen Kriegsgefangenen aus ideologischen Gründen im Rahmen der sogenannten Aussonderungen bewusst ermordet.


Gemeinsame Verantwortung

Zwei Stelen informieren über die Geschichte des Bahnhofs Märzfeld in Nürnberg. Sie tragen die Überschriften "Ehemaliger Bahnhof Märzfeld" und "Station 20", enthalten Text und zeigen zwei Bilder und eine Grafik.

Zwei Stelen informieren über die Geschichte des Bahnhofs Märzfeld.

Seit Jahren waren Gruppen und Einzelpersonen bemüht, an diese Geschichte zu erinnern. Seit 2006 markieren zwei Stelen des Geländeinformationssystems den historischen Ort Bahnhof Märzfeld. Bis 1988 wurde der Bahnhof von der damaligen Bundesbahn noch für den Personenverkehr genutzt, seither nur noch für den Güterverkehr. Den nördlichen Gleisstrang nutzt die VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg für den oberirdischen U-Bahn-Verkehr zu ihrem Betriebshof.

Am 21. Dezember 2023 haben die Stadt und die Deutsche Bahn AG nun einen Gestattungsvertrag zur Überlassung der Freifläche vor der Bahnhofsfassade abgeschlossen. Gemeinsam mit der Deutschen Bahn AG wird in den kommenden Jahren dieser wichtige Teil der Geschichte des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes deutlich sichtbarer gestaltet werden als bisher.

Hierfür werden die beiden Stelen des Geländeinformationssystems in unmittelbare Nähe der historischen Bahnhofsfassade versetzt und die Wand selbst mit weiteren Informationen versehen. So soll auch den Angehörigen, deren Anfragen regelmäßig beim Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände eingehen, eine bessere Möglichkeit des Erinnerns und Innehaltens geboten werden.

Für diese unmittelbare Maßnahme der historischen Auseinandersetzung stellen die Stadt 70.000 Euro und die Deutsche Bahn AG 50.000 Euro zur Verfügung. Die inhaltlich-konzeptionelle Betreuung des Erinnerungsorts erfolgt durch das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, das ebenfalls in der künftigen Dauerausstellung intensiver zur Geländegeschichte im Zweiten Weltkrieg informieren wird.

Entwurf der neuen Fassade des Bahnhofs Märzfeld als Erinnerungsort. Auf der Mauer, links oberhalb der zehn Türen, befindet sich ein Text mit Informationen.

Entwurf der neuen Fassade des Bahnhofs Märzfeld als Erinnerungsort.


Bedeutung für die Quartiersentwicklung

Der Bereich des ehemaligen Bahnhofs Märzfeld stellt eine wichtige Wegeverbindung innerhalb Langwassers dar. Durch die anstehende Entwicklung des Schulkomplexes auf dem früheren Gelände der Großdruckerei Prinovis gewinnt dieser stadtplanerische Aspekt weiter an Relevanz. Seit 2019 ist Langwasser formal als Sanierungsgebiet im Sinne der Städtebauförderung festgesetzt.

Im Zuge der Erschließung des historischen Erinnerungsorts Bahnhof Märzfeld verfolgt das Stadtplanungsamt der Stadt daher die Aufwertung der bedeutsamen Verbindung zwischen Thomas-Mann-Straße und Ferdinand-Drexler-Weg. Ein Gesamtkonzept mit Einbezug der Außenanlagen des ehemaligen Bahnhofs Märzfeld befindet sich derzeit in Ausschreibung und soll in den nächsten Jahren mit finanzieller Unterstützung aus der Städtebauförderung umgesetzt werden.


Weitere Schritte und das Gedenkjahr 2025

Die Neugestaltung des Umfelds am historischen Erinnerungsort Bahnhof Märzfeld wird in den kommenden Jahren schrittweise erfolgen. Zunächst beginnen 2024 die Gesamtplanungen, damit als erstes 2025 mit der Umsetzung der Maßnahmen an der Fassade und dem Vorplatz des Bahnhofs begonnen werden kann.

Die Stadt wird hier im Gedenkjahr 2025 an die Befreiung des Kriegsgefangenenlagers Langwasser durch die US-Armee am 17. April 1945 sowie an das Kriegsende in Deutschland durch die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht am 8./9. Mai 1945 mit einer öffentlichen Veranstaltung erinnern. Der genaue Termin wird noch bekanntgegeben.


Stimmen zum Projekt

Marcus König, Oberbürgermeister

Die Auseinandersetzung mit diesem Kapitel der Stadtgeschichte ist für König besonders wichtig: „Der Ort Bahnhof Märzfeld steht für eines der grausamsten Kapitel unserer Stadtgeschichte. Ausgrenzung, Verschleppung und Mord sind genau hier passiert und waren kein Geheimnis in der damaligen Stadtgesellschaft. Ich freue mich sehr, dass es jetzt gelungen ist, gemeinsam mit der Deutschen Bahn als Eigentümerin in Zukunft sichtbar Verantwortung für die Vermittlung dieses Teils des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes zu übernehmen und würdig an die Opfer der NS-Herrschaft zu erinnern.“

Prof. Dr. Julia Lehner, Bürgermeisterin

„Mit der Entwicklung des Bahnhofs Märzfeld zum sichtbaren historischen Erinnerungsort gelingt uns ein wichtiger erinnerungskultureller Lückenschluss. Das hier konzipierte Informationsangebot ergänzt die thematische Aufbereitung und Gesamteinbettung innerhalb der neuen Dauerausstellung des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände. Der Deutschen Bahn gebührt Dank für die Zusammenarbeit.“

Klaus-Dieter Josel, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn AG für den Freistaat Bayern

„Wir nehmen die offene und kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ernst. Die Erinnerungskultur hat bei der DB große Bedeutung. Wir verstehen es als unsere Pflicht, das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus wach zu halten. Das tut seit vielen Jahren unter anderem das DB Museum. Gerne unterstützen wir auch das Projekt Gedenkort Bahnhof Märzfeld der Stadt Nürnberg – als weiteren Baustein der gemeinsamen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.“


Mit der App über das Gelände

Mit der Gelände-App des Dokumentationszentrums können Sie das Reichsparteitagsgelände auf eigene Faust erkunden. Mit 360°-Panoramabildern können Sie die historische Ansicht mit der heutigen vergleichen und die spannende Geschichte des Geländes nach 1945 entdecken. Als digitaler Geländerundgang ist die App auch zuhause nutzbar.


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