Kongresshalle Nürnberg

Zeppelintribüne und Zeppelinfeld

Die nationale Aufgabe

Ein deutscher Erinnerungsort mit internationaler Bekanntheit

Die Bilder uniformierter Massen wirken nach und sind weltweit im kollektiven Gedächtnis verankert. Bis heute finden sie in nahezu jeder Filmdokumentation oder jedem Buch über die NS-Zeit Verwendung. Die Reichsparteitage in Nürnberg waren zwischen 1933 und 1938 der Höhepunkt im nationalsozialistischen Festkalender. Auf den Staats- und Parteiveranstaltungen stellten sich das NS-Regime und Adolf Hitler als dessen Anführer dem In- und Ausland so dar, wie man gesehen werden wollte. Medial unterstützt besonders durch eine Flut von offiziellen Bildern und Filmen, vor allem dem 1934 gedrehten „Triumph des Willens“ der Regisseurin Leni Riefenstahl. Die Inszenierungen sollten Verfolgung und Unterdrückung in Deutschland ebenso verschleiern wie die Vorbereitungen zu einem Zweiten Weltkrieg, im Zuge dessen auch der systematische Mord an mehr als sechs Millionen Juden und weiteren Gruppen begangen wurde. Die Fotos und Filmaufnahmen von den Reichsparteitagen aus der Täterperspektive stehen stellvertretend für die propagandistische Selbstdarstellung Hitlers und seines Regimes. Damit bilden sie nicht allein ein dunkles Kapitel der Nürnberger Stadtgeschichte ab, sondern illustrieren die Zeit des Nationalsozialismus insgesamt.

Als einziger heute noch erhaltener, tatsächlich in der NS-Zeit fertiggestellter und für die Reichsparteitage genutzter Schauplatz nehmen das Zeppelinfeld und die steinerne Haupttribüne eine herausgehobene Rolle in der historischen Vermittlung und öffentlichen Wahrnehmung weit über Nürnberg hinaus ein. Die Bundesregierung formulierte es 2013 in ihrem Koalitionsvertrag so: „Authentischen Orten, wie beispielsweise dem ehemaligen ‚Reichsparteitagsgelände‘ in Nürnberg, kommt eine wesentliche Funktion für die Geschichtskultur in Deutschland zu, die gemeinsam mit dem jeweiligen Land erhalten und genutzt werden soll.“ Dieser gemeinsamen Verantwortung für einen nationalen Erinnerungsort deutscher Geschichte stellen sich die Bundesrepublik Deutschland, der Freistaat Bayern und die Stadt Nürnberg gemeinsam.

Der bauliche Erhalt von Zeppelintribüne und Zeppelinfeld als Grundlage für die künftige Entwicklung zum Lern- und Begegnungsort wird von Bund, Freistaat Bayern und Stadt Nürnberg als Zeichen des Willens zur aktiven Auseinandersetzung und Vermittlung der NS-Geschichte und ihrer Lehren am historischen Ort verstanden. Aus diesem Grund beschlossen in den Jahren 2018 und 2019 der Deutsche Bundestag und der Bayerische Landtag für die nächsten Jahre die finanzielle Beteiligung an drei Vierteln der Gesamtkosten in Höhe von 85,1 Millionen Euro aus einmaligen Sondermitteln. Den restlichen Betrag sagte der Nürnberger Stadtrat ebenso zu wie die künftigen Betriebskosten.

Luftaufnahme Im Vordergrund Franken Stadion sowie Zeppelinfeld und Zeppelintribüne im Hintergrund Dutzendteich und Kongresshalle, Bild © Nuernberg Luftbild, Hajo Dietz
Teile des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes heute: Im Vordergrund das frühere Städtische Stadion, heute Franken-Stadion Nürnberg, mit seinen Nebenplätzen und das Zeppelinfeld mit Zeppelintribüne; im Hintergrund das für die SS angelegte Kasernenareal, das Ende der Großen Straße, die unfertige Kongresshalle mit dem Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände im nördlichen Kopfbau und der Luitpoldhain. Bild: Luftbild Nürnberg/Hajo Dietz.

Deutschlandweite Anerkennung

Nürnberg als ein wichtiger Ort der internationalen Zeitgeschichte wird jährlich von mehreren hunderttausend Besucherinnen und Besuchern aus aller Welt aufgesucht. Anhand der Bauten auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände informieren sie sich über die NS-Geschichte und den Umgang mit deren sichtbaren Hinterlassenschaften nach 1945. Internationale Anerkennung finden die Anstrengungen zur Vermittlung historischer Zusammenhänge und die Aufklärung über die nationalsozialistischen Reichsparteitage und die dafür errichteten Herrschaftsbauten durch die kontinuierliche erinnerungskulturelle Arbeit im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. Auch hier haben der Bund und der Freistaat Bayern der gemeinsamen Verantwortung Rechnung getragen und fördern die Ausbau und die Neukonzeption der Dauerausstellung über bestehende Zuwendungsverfahren.

Übergabe der Förderurkunde für den Ausbau des Dokumentationszentrums © Thorsten Schmidt

Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände wurde als "Premiumprojekt" im Rahmen des Förderprogramms "Nationale Projekte des Städtebaus" ausgezeichnet. Am 28. Juni 2017 übergaben Frau Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks und Herr Parlamentarischer Staatssekretär Florian Pronold in Berlin die Förderurkunde an den damaligen Zweiten und heute Dritten Bürgermeister Christian Vogel und die damalige Kulturreferentin und aktuelle Zweite Bürgermeisterin Professorin Dr. Julia Lehner.

Förderurkunde für den Ausbau des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände © Bild: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Damit übernimmt der Bund 7,0 Millionen Euro an den Gesamtkosten von 16,8 Millionen Euro des Ausbauvorhabens. Die Erweiterung von Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Serviceflächen ist notwendig geworden, nachdem die 2001 prognostizierte maximale Besucherzahl von 100.000 Personen im Jahr mittlerweile zuletzt mehr als 300.000 jährlichen Besucherinnen und Besuchern deutlich übertroffen wurde. Der Ausbau ist für die Jahre 2021–2023 anvisiert.

Bundesprogramm Nationale Projekte des Städtebaus

Die Kosten für die Neukonzeption der Dauerausstellung und des Vermittlungsangebotes im umgebauten Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände belaufen sich zusätzlich auf 7,4 Millionen Euro. Die Hälfte davon wird aus Mitteln der Gedenkstättenstiftung des Bundes bereitgestellt. Jeweils ein Viertel stellen der Freistaat Bayern und die Stadt Nürnberg zur Verfügung.

Nürnberg als Ort der Zeitgeschichte – zu Gast in Berlin

Die Stadt Nürnberg wird immer wieder gebeten, ihre erinnerungskulturelle Arbeit auch bundesweit näher zu erläutern. Am 23. März 2017 stellte die Stadt Nürnberg ihre zeitgeschichtlich bedeutsamen Orte und Einrichtungen (ehemaliges Reichsparteitagsgelände, Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Memorium Nürnberger Prozesse) vor rund 200 Gästen aus Politik und Gesellschaft in der Bayerischen Vertretung in Berlin vor.

Gruppenfoto mit Prof. Dr. Eckart Conze, Prof. Philippe Sands, Dr, Bild © Henning Schacht / Bayerische Staatskanzlei
v.l.n.r.: Professor Dr. Eckart Conze, Professor Philippe Sands, Staatsminister Dr. Markus Söder, Kulturreferentin Professorin Dr. Julia Lehner, Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly

Neben Oberbürgermeister Dr. Maly diskutierten über Chancen und Herausforderungen einer zukunftsgerichteten Erinnerungskultur am historischen Ort Reichsparteitagsgelände der damalige Bayerische Staatsminister der Finanzen und für Heimat sowie jetzige Ministerpräsident Dr. Markus Söder, der Historiker Professor Dr. Eckart Conze (Philipps-Universität Marburg) und der Völkerrechtler Professor Philippe Sands (University College London). Moderiert wurde die Runde von NN-Chefredakteur Michael Husarek.

Nürnberg als Ort der Zeitgeschichte – internationale Perspektive

Die in Nürnberg vorzufindenden Fragen an die Vergangenheit stellen sich nicht nur für ein deutsches Publikum, sondern sind von internationaler Relevanz. Wie geht eine Stadt mit ihrer dunklen Vergangenheit um? Wie geht Europa mit der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts um? Die Stadt Nürnberg, die als Lehren aus ihrer Geschichte in der NS-Zeit als heutige Stadt des Friedens und der Menschenrechte den Einsatz hierfür zum Auftrag nimmt, ist dabei an einem internationalen Dialog und dem intensiven Austausch mit europäischen Fachleuten interessiert.

Nach einem Arbeitsbesuch der EU-Expertengruppe zum Kulturtourismus im Februar 2018, bei dem sich Kulturexpertinnen und -experten aus 15 europäischen Ländern vor Ort über die Nürnberger Erinnerungsarbeit informierten, hat sich Nürnberg als Ort der Zeitgeschichte auch in Brüssel vorgestellt.

Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly und andere hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Kultur diskutierten am 1. März 2018 in der Vertretung des Freistaates Bayern bei der EU in Brüssel über die Notwendigkeit eines gemeinsamen kritischen Umgangs mit der europäischen Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts, über zukunftsgerichtete historisch-politische Bildungsarbeit und darüber, welchen Beitrag Nürnberg angesichts der Krise der EU leisten kann. In einem angeregten Gespräch mit dem Publikum ging es auch um die Frage, welche Rolle die Erinnerungskultur im Rahmen der damaligen Nürnberger Kulturhauptstadt-Bewerbung spielen sollte.

Diskussionsrunde mit Dr. Ulrich Maly, Staatsminister Dr. Ludwig, Bild © Philippe Veldeman
v.l.n.r.: Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle, Susanne Höhn (Goethe-Institut), Prof. Neil Gregor (University of Southampton), Moderatorin Prof. Dr. Charlotte Bühl-Gramer (Universität Erlangen-Nürnberg)

Auf dem Podium saßen Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, der Bayerische Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Dr. Ludwig Spaenle, der englische Professor für Moderne Europäische Geschichte, Prof. Neil Gregor (Southampton), und die internationale Kulturexpertin, EU-Beauftrage und Leiterin der Region Südwesteuropa für das Goethe-Institut, Susanne Höhn. Moderiert wurde die Diskussion von Prof. Dr. Charlotte Bühl-Gramer, Inhaberin des Lehrstuhls für Didaktik der Geschichte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly und Kulturreferentin Prof. Dr. Julia Lehner, derzeit Zweite Bürgermeisterin, skizzierten die Phasen der Nürnberger Erinnerungsarbeit, deren Verankerung in der Bevölkerung sowie die baulichen und inhaltlichen Herausforderungen an den Erhalt und die Vermittlung historischer Orte wie dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände oder dem Schwurgerichtssaal 600 im Nürnberger Justizpalast. Entsprechende Fragen stellen sich in einer Zeit des zunehmenden Verlustes der Zeitzeugen und diverser werdender Biographien der Besucherinnen und Besucher mit teils eigenen Gewalt- und Diktaturerfahrungen immer drängender.

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Lob gab es dabei vom ehemaligen bayerischen Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle. Er betonte: "Nürnberg schreitet mutig voran". Im Umgang mit seiner eigenen Vergangenheit sei die Stadt "maßstabsetzend" und habe es gleichzeitig geschafft, das historische Erbe zukunftsgerichtet "zu wenden". Gerade das Thema des zukunftsgerichteten Umgangs mit der NS-Vergangenheit sei ein besonderes Zeichen der Nürnberger Kulturpolitik.

Wie sehr diese Thematik internationale Beachtung findet, machte die Kulturexpertin Susanne Höhn vom Goethe-Institut deutlich. Fragen des Umgangs mit der NS-Zeit seien integraler Bestandteil der Arbeit ihrer Einrichtung und haben Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg weltweit die Glaubwürdigkeit zurückgegeben. Aus der universitären Praxis berichtete Professor Neil Gregor (Southampton), dass in seinen Seminaren englische Studenten viele Fragen nach Rassismus, Nationalismus oder Demokratiefeindschaft stellen würden. Seiner Meinung nach sei gerade "Nürnberg eine geeignete Plattform, um über Antworten zu sprechen, aber auch darüber wie die Transition von einem Genozid zu einer Demokratie verlaufen kann."

Der kritische und engagierte Umgang der Stadt Nürnberg mit ihrer NS-Vergangenheit, die Weiterentwicklung des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände, des Memoriums Nürnberger Prozesse und der progressive Ansatz einer zukunftsgerichteten historisch-politischen Bildungsarbeit stießen auch beim anwesenden europäischen Publikum auf großes Interesse und intensiven Gesprächen.

v.l.n.r.: Dr. Ludwig Spaenle, Prof. Dr. Julia Lehner, Susanne H, Bild © Philippe Veldeman
v.l.n.r.: Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle, Kulturreferentin Prof. Dr. Julia Lehner, Susanne Höhn (Goethe-Institut), Prof. Neil Gregor (University of Southampton), Prof. Dr. Charlotte Bühl-Gramer (Universität Erlangen-Nürnberg), Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly

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