Soziokultur in Nürnberg

Kulturelle Beteiligung

Heute zeigt sich Soziokultur in vielen Facetten. Mittlerweile umfasst der Ansatz der Soziokultur in vielfältiger Art und Weise methodische Ansätze, die Konzepte kultureller Einrichtungen und eine große Bandbreite an Genres und Sparten.

Die Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren beschreibt dies folgendermaßen: „Soziokultur ist eine programmatische Bezeichnung für Diskurse, Inhalte, Praxis- und Organisationsformen, die gesellschaftliches Leben und kulturellen Ausdruck aufeinander beziehen. Sie öffnet sich unterschiedlichsten Auffassungen von Kultur, fördert durch kulturelle Beteiligung bürgerschaftliches Engagement und die kreativ-kulturellen Kompetenzen vieler – unabhängig von Alter, Geschlecht und Herkunft – und sucht damit Antworten auf die Frage, wie wir leben wollen.“

Soziokultur und Kulturläden

Soziokultur ist eine der konzeptionellen Säulen des Amtes für Kultur und Freizeit. Dafür stehen vor allem die Nürnberger Kulturläden. Den Begriff gibt es bereits seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Soziokultur will Kultur von allen für alle. Aber was ist das eigentlich genau? Wie sieht die Arbeit heute aus? Auf die vielfach gestellte Frage wollen wir hier mal eine unkonventionelle Antwort versuchen.

Fangen wir mit dem Begriff an: Sozi? Sozius? Sozio… was? Ja, es ist ein sperriges Wort. Aber: An Soziokultur versuchen sich heute viele, die irgendwie, -was oder -wo mit Kultur zu tun haben, und kaum einer weiß: Was ist das denn nun eigentlich genau?

Und weil die Dinge oft einfacher werden, wenn man sie einfach sagt, versuchen wir es mal: Wie schon gesagt, Soziokultur meint „Kultur von allen für alle“. Sie soll Menschen verbinden und als Begriff für den kleinen und manchmal großen Austausch dienen, für ein Netzwerk aus Genres, Sparten und Kulturen. Soziokultur bringt Menschen zusammen – in Workshops, Diskussionen oder einfach bei einer Tasse Tee. Öffnet Hobbykünstlerinnen und -künstlern, Ein- und Umsteigenden und anderen Wünschen und Vorstellungen Räume.

Soziokultur ist die Basis der Kulturläden

Aus der Idee von Soziokultur sind zum Beispiel die Kulturläden gewachsen, die in Nürnberg seit über 40 Jahren Programm machen. Soziokultur ermöglicht und meint die Frau und den Mann von nebenan, die Kontakte und Anregungen suchen, und sie in genau so einem Laden gleich um die Ecke finden. Und manchmal sitzt auch schon die halbe Nachbarschaft da. Man lernt sich dann kennen, statt im Hausflur nur „Guten Morgen“ zu nicken.

Unkompliziert soll Soziokultur sein. Ein Miteinander von Leuten aus aller Welt, die sich austauschen und Kultur leben. Von Ausstellungen lokaler Kunstschaffender, Bühnenkunst von Profis und Laien, vom Smoothie-Kurs bis zur Bürgerhilfe, von Upcycling-Workshop und Teerunde bis zu Sprach- und Computerschulungen, Stadtteilgarten und Bürgerstammtisch – im Prinzip ist alles möglich, was irgendwie den Kultur- und Bildungsbegriff berührt. Neue Vorschläge? Immer willkommen.

Das Angebot ist breit: Nicht nur im Kulturladen finden Kurse und Gruppen statt. Manchmal geht es auch raus in den Stadtteil. Im Sommer 2019 fand zum Beispiel ein Graffiti-Workshop statt.

Von der Yoga-Gruppe über den Seniorentreff bis zum Kräuterkurs – Kulturläden laden zum Austausch ein. Wer selbst etwas organisieren möchte, ist ebenfalls willkommen und kann die Ideen gerne einbringen.

Zwei Väter stemmen die Idee

Die Kulturpolitiker Hilmar Hoffmann und Hermann Glaser brachten ab 1970 die Idee von der „Kultur für alle“ und der „Teilhabe für alle“ unter die Leute. Beide zusammen haben den Begriff „Soziokultur“ erst in den Alltag eingebracht. Glaser, seit 1964 Nürnberger Schul- und Kulturreferent, trieb die Idee in Nürnberg mit großer Überzeugungskraft voran. Er entwickelte die ersten Kulturläden und war 1973 Mitbegründer des selbstverwalteten Jugendzentrums KOMM. Seine Idee, in solchen Mischmasch-Biotopen und „Tante Emma Läden“ alle möglichen „Dinge mit Kunst und so“ zu entwickeln, machte Soziokultur konkret erlebbar und wird heute „Stadtteilkulturarbeit“ genannt (Anmerkung in eigener Sache: wir arbeiten immer daran, dass Begriffe nicht allzu kurz werden).

Glasers Plan: Andere Läden bieten Mohnbrötchen oder Faltenröcke, wir machen in unseren Läden Kultur. Für alle. Zum Anfassen, Besuchen, Ausprobieren, Mitgestalten. Wir werden selbst kreativ in einem Bürgertreff – ohne Goldkante, ohne elitäre Schranken. In einem open shop für Demokratisches und Diskussionen, für Fantasie und Inspiration. Kultur, immer wieder neu gedacht. Es geht ums Zusammensitzen am Holztisch, nicht um Museen und „bitte nicht berühren“.

Social media reichen als Kontaktbörsen – wozu einen Kulturladen?

Vielleicht zum Ausgleich? Soziokultur und die Kulturläden feiern fern von Trends unbeirrt das analoge Leben. Sozusagen das real gelebte Social Media Experiment. Alles ist echt, alles zum Anfassen. Wir bewegen uns natürlich auch im Digitalen weiter, bleiben dem Erleben aber treu: Leute und Projekte live kennenlernen, Sachen ausprobieren und vielleicht nebenbei auch mal Katzenvideos auf YouTube gucken.

Und apropos YouTube. Neudeutsch gesprochen haben Kulturläden eine Art Content-Strategie, die Bürgern interessante und/oder nützliche Inhalte kostengünstig vor der eigenen Haustür bietet. In die Digital-Marketing-Sprache übersetzt ist das so etwas wie „Viral Seeding“. Ideen streuen und gucken, wo was auf fruchtbaren Boden fällt. Solche Vergleiche sind sportlich, aber gelebte Soziokultur gleicht eben auch einem „network hub“. In der Netzwerktechnik verbindet ein Hub Geräte in einem Computernetz, wir verbinden Ideen und Menschen.

In Nürnberg werden derzeit elf städtische Kulturläden vom Amt für Kultur und Freizeit und zwei von Vereinen getragen, Desi und KuNo.

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