Schriftzug Handwerkerhof über dem Eingangstor, davor geschmückte Weihnachtsbäume und Lichterketten

Handwerkerhof

Trachtenausstellung

Mittelfränkische Haubenmuster und ihre Bedeutung

Der Ausspruch „unter die Haube kommen“ als Heiratsmetapher gehörte noch vor nicht allzu langer Zeit zum festen Basiswortschatz. Dieses Sinnbild verkörpert in seiner Aussage den Bedeutungskontext der weiblichen Kopfbedeckungen im christlichen Abendland noch bis ins 20. Jahrhundert hinein. Sie standen auch in Mittelfranken immer in einem engen Zusammenhang mit dem Kirchgang.

Dieses ungeschriebene Gesetz begründet sich auf den ersten Brief des Apostel Paulus an die Korinther: „Ein jeglicher Mann, der da betet oder weissagt und hat etwas auf dem Haupt, der schändet sein Haupt. Eine Frau aber, die da betet oder weissagt mit unbedecktem Haupt, die schändet ihr Haupt; …“ (11, 4-5). Paulus, der aus der Stadt Tarsus (heutige Türkei) stammte, richtete diese Worte aus seinem jüdisch-orientalischen Traditionsverständnis heraus mit Befremdung und Unverständnis an die neu bekehrten griechischen Christinnen, die zwar den Schleier zu einigen Anlässen wie Hochzeit und Trauer verwendeten, jedoch keine verbindlichen Vorschriften, nicht einmal zum allgemeinen Kirchgang kannten und auch nicht praktizierten.

Auf Grund dieser Bibelstelle besuchten die mittelfränkischen Frauen auch 1.900 Jahre nach Paulus den Gottesdienst immer mit einer Kopfbedeckung. Die mittelfränkischen Hauben unterschieden sich in Form und Auszier in den einzelnen Trachtenlandschaften und innerhalb dieser nach Anlässen wie Festtag, zum normalen Kirchgang und zum Stadtbesuch, zur Trauer und Austrauer.

Die Muster der gestickten Haubenböden sind sehr variationsreich, bauen aber immer auf dem „Baum des Lebens“ und dem Dreispross als Sinnbild der Dreieinigkeit auf. Auch die Blumen und Pflanzen bedienen sich überwiegend der christlichen Symbolik.

Hauben in Mittelfranken

Die reiche Haubenvielfalt in Mittelfranken ist das Spiegelbild seiner regionalen Geschichte. Das Gebiet wurde durch ständige herrschaftliche Veränderungen territorial aufgesplittert, so dass seit der Reformation und Gegenreformation auch die beiden christlichen Religionen nebeneinander, manchmal von Ort zu Ort wechselten. Sichtbar wurden die beiden Konfessionen durch ihre unterschiedliche Kleidungsweise und besonders stachen die Kopfbedeckungen in ihren verschiedenartigen Grundformen heraus.

Innerhalb einer konfessionellen sowie regionaltypischen Haubengattung variierten die Kopfbedeckungen zudem im Lebenskreis und Jahreslauf, die in der Regel streng nach dem kirchlichen Brauchtum ausgerichtet waren. Reichtum und Armut, sozialer Status und Berufszugehörigkeit zeigte sich meistens im Material, Größe, Aufwand der Stickereien und der Bänder sowie in der Anzahl der Hauben.

Die ersten Hauben erhielten die evangelischen Mädchen nach der Konfirmation und die katholischen nach der Firmung, was früher mit dem Schulabschuss zusammenfielen und den Eintritt ins Erwachsenenleben mit all seinen Pflichten darstellten.

Die Hauben gaben Auskunft über Stand, Konfession, Situation sowie Anlass und repräsentierten eine Region, eine Landschaft. Sie waren ein Kommunikationssystem ohne Worte, deren Zeichen die Form, Farbe und Ausschmückung darstellten.

Mittelfranken lässt sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts grundsätzlich in drei unterschiedliche Trachtenlandschaften mit Übergangszonen einteilen, von denen zwei der protestantischen und eine der katholischen Religion zugeordnet werden. Die Besonderheiten zeigen sich an den Frauenoberteilen, zu denen jeweils bestimmte Haubentypen gehörten, die jedoch zum Teil innerhalb der jeweiligen Trachtenlandschaft nicht nur durch die verschiedenen Anlässe variierten:

Im nördlichen evangelischen Mittelfranken verbreitete sich von Nürnberg ausgehend als regionales Element an den “Mutzen” der große Kragen, zu dem in unterschiedlichen Variationen die Zylinderhaube und im Nordosten eine spitz zulaufende, einem kleinen Henin vergleichbare Bänderhaube aufgenommen wurde. Im protestantischen Süden und Südwesten des Bezirks war das charakteristische Merkmal an den Oberteilen am Rückensaum der “Schnepper”, zu dem eine Bänderhaube oder Zopfhaube getragen wurde. Anschließend in dem katholischen Streifen des Bistums Eichstätt weisen die langärmeligen Kleidungsstücke am Rücken und Vorderteil Schmuckfalten auf. Auf den Kopf setzen die Frauen Backenhauben und vor allem in den kleinen Landstädtchen waren die von München stammenden Riegelhauben sehr beliebt.