Sitzungen im Jahr 2019

19. Sitzung des Bildungsbeirats

Mit dem Willstätter-Gymnasium wählte der Bildungsbeirat eine Pilotschule der städtischen Digitalisierungsbemühungen für seine Sitzung zum Thema "Digitalisierung und Bildung" am 5. Juli 2019 aus. Aus kommunaler Sicht stellten Schulbürgermeister Klemens Gsell, Sozialreferent Reiner Prölß und der Leiter des KunstKulturQuartiers, Michael Bader, Strategie und Praxis ihrer Verwaltungs- und damit Bildungsbereiche zum Thema Digitalisierung vor. Jochen Raschke von der IHK Nürnberg für Mittelfranken vervollständigte das Bild mit einem Beitrag zur Weiterbildung.

Einführend kontextualisierte Oberbürgermeister Ulrich Maly die Bildungsperspektive auf das Thema und fragte nach der Bedeutung der Digitalisierung für die Stadt als solche. Einerseits sehe die Bürgerschaft die Kommunen in der Pflicht und erwarte Erleichterungen, beispielsweise bei der Beantragung von Dokumenten oder einer verbesserten Zugänglichkeit der Stadtverwaltung. Andererseits ergibt sich aus der Innensicht der Kommune durch die Digitalisierung von Prozessen ein riesiges Potenzial, Verwaltungsvorgänge zu vereinfachen und zu verkürzen. Allen Verheißungen zum Trotz, gelte es im Zeitalter der „Smart City“, in der alle Daten von Menschen miteinander verknüpfbar sind, so Maly, immer auch auf Datenschutz und - aus der Sicht des Individuums gedacht - auf Datensouveränität zu achten. Auch wenn sich die durch Digitalisierung induzierten Veränderungen in der Arbeitswelt bereits sehr deutlich in der (Stadt-)Gesellschaft abzeichnen, ist noch nicht absehbar wie sich Bildung, Kunst und Ethik und damit kulturelle Identitäten durch die digitale Transformation verändern werden.

Unter dem Titel „IT-Strategie für Nürnberger Schulen: Lernen und Lehren an städtischen und staatlichen Schulen“ bezog der Leiter des Geschäftsbereichs Schule, Bürgermeister Klemens Gsell, Stellung zur städtischen Politik in Nürnbergs Schulen, für deren Umsetzung neben neugeschaffenen Personalstellen im Zeitraum von 2018 bis 2026 etwa 85,5 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Die Strategie baut auf drei Säulen, die für die kommunale Ebene Gestaltungsspielraum bieten: Vernetzung, Ausstattung und Fortbildung der Lehrkräfte. Bei der Vernetzung, die ämter- und dienststellenübergreifend geplant wird, müssen 93 Schulstandorte versorgt werden, so Gsell. Durch bereits existierende Lichtwellenleitungen der Feuerwehr („Feuerwehrnetz“) können ab 2020 pro Jahr 10 bis 12 Schulstandorte effektiv angebunden, und auch mit Hard- und Software versorgt werden. Gsell betonte, dass beim Umgang mit Software Fragen rund um den Datenschutz zu beachten sind und die Komplexität des Handelns erhöhen. Bei der Fortbildung der Lehrkräfte arbeitet das städtische Institut für Pädagogik und Schulpsychologie Nürnberg (IPSN) mit der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung (ALP) in Dillingen zusammen.

Rückfragen aus dem Beirat bezogen sich auf die Herstellung von Zugängen und Teilhabe in Bezug auf den Einsatz von Endgeräten wie Tablets. Hier, so Klemens Gsell, gäbe es grundsätzlich zwei Varianten: Zum einen könnten die digitalen Geräte analog den Schulbüchern durch die Schulen gestellt werden. Zum anderen könnte man dem Konzept „bring your own device“ (BYOD) folgen, also auf eine private Anschaffung der Geräte durch die Schülerinnen und Schüler bauen. Diese Variante müsse selbstverständlich einen Sozialausgleich beinhalten.

Zum Beginn seines Beitrags betonte Sozialreferent Reiner Prölß anhand von Beispielen einleitend, dass die digitale Transformation alle Menschen in allen Lebensbereichen betreffe: Herausforderungen, zum Beispiel neue Formen der Ausgrenzung wie dem „digital divide“, stünden Chancen und Möglichkeiten gegenüber, unsere Arbeit effektiver, und auch angenehmer zu gestalten.

Aus der Perspektive kommunaler Bildungs- und Sozialpolitik ging Prölß auf die Lebenswelten von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern sowie auf den Arbeitsmarkt, die soziale Arbeit und die Pflege ein. Mit Blick auf Kinder kritisierte Prölß einen wenig vorbildhaften Medienumgang vieler Eltern im Beisein ihres Nachwuchses. Die Pädagoginnen und Pädagogen in der frühkindlichen Bildung müssten auch deswegen einerseits einen bewussten Kontrapunkt zur durchgängigen Digitalisierung des Alltags setzen, andererseits aber den altersgerechten Umgang mit digitalen Medien lehren. Als wichtige Aufgabe der Familienbildung nannte er die Sensibilisierung der Eltern für die Persönlichkeitsrechte der Kinder. In Bezug auf die Jugendarbeit attestierte Prölß den jungen Menschen einen überwiegend verantwortungsvollen Umgang mit den Neuen Medien. Allerdings wirkten hier ungleiche Bedingungen. Nicht nur die materielle Verfügbarkeit von Neuen Medien sei wichtig, sondern das soziale und kulturelle Kapital stifte auch „digitale Ungleichheit“. Abschließend ging Prölß auf die Veränderungen der Arbeitswelt ein und blickte dabei insbesondere auf Herausforderungen im Pflegebereich und in der sozialen Arbeit. Fort- und Weiterbildung des Personals sei hier, so Prölß, eminent wichtig.

Den von der Digitalisierung in so vielerlei Hinsicht beeinflussten Bereich der non-formalen Bildung vertrat Michael Bader, Leiter des KunstKulturQuartiers Nürnberg (KUKUQ) im Bildungsbeirat. Recht schnell kam er in seinem Beitrag „Digitale Praxis in der Kultur“ auf die digitale Praxis in allen Häusern des KUKUQs zu sprechen: im kommunalen Filmhaus, wo das Zelluloid von Pixeln abgelöst wurde, in den Kunsthäusern Kunstvilla, Kunsthalle, Kunsthaus, die durch ‚digital curating‘ Museen und Ausstellungen ohne Orte schaffen, und auf der Bühne in der Tafelhalle oder im Künstlerhaus, wo zahlreiche Projekten der ‚digital community‘ stattfinden. Michael Bader betonte im Fortgang drei Aspekte der digitalen Praxis. Zunächst der Einsatz von digitalen Mitteln in allen Sparten der darstellenden Kunst, wo ganze Bühnenbilder als digitale „Bauten“ das alte Pappmachee ersetzen, und im Nürnberger Frieder Weiß ein international gefragter Bühnenbildner agiert. Zweitens die Möglichkeiten digitaler Anwendungen für die Interaktion mit dem Publikum, mit Partizipation und ‚audience development‘. Als Beispiel nannte Bader eine Produktion in der Tafelhalle mit dem Titel „smartphone project“, bei dem das Mobiltelefon während der Vorstellung anbleibt, wo sich Künstlerinnen und Künstler mit Publikum sowie Publikum mit Publikum während der Vorstellung austauschen. Und drittens die durch Digitalisierung ermöglichte Auflösung von Raum und Zeit, wenn Veranstaltungen einfach per Livestream verfügbar gemacht oder Kunstausstellungen 1:1 im Netz präsentiert werden.

Erste Untersuchungen ergeben aber auch, so Bader, dass digitale Angebote keinen Besucher zusätzlich ins Haus brächten, und somit keine erhöhten Umsätze an der Kasse erzeugten. Hier bedürfe es gerade angesichts der hohen Kosten der digitalen Aufarbeitung eines neuen Denkens: „Was sind uns die Klickzahlen wert?“ Drittmittelprojekte, wie „Interlacing Spaces - Bedingungen und Möglichkeiten einer kuratorischen Praxis des Digitalen (AT)“, das im Verbund mit dem Kunstverein Hamburg und dem Kunsthaus Graz durchgeführt wird und für das ein Förderantrag bei der Bundeskulturstiftung gestellt wurde, sind hier eventuell wegweisend. Abschließend wies Bader auf die großen Herausforderungen hin, die sich gerade in puncto Vermittlung (‚audience development‘) angesichts einer sich umfangreich verändernden Gesellschaft und eines sich entsprechend kolossal verändernden Nutzungsverhalten ergeben. So oder so ist hier der Dialog von Anbieterinnen und Rezipienten in den Mittelpunkt zu stellen, oder besser noch: der Rezipient arbeitet sogar aktiv am Angebot mit wie bei gemeinsamen Gaming-Aktionen, beim Derby 2.0, der FIFA-Städtemeisterschaft, oder bei „Chip Hits the Fan“, wo der Gameboy zum Musikinstrument wird.

Digitalisierung stellt neue Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten, denen durch Weiterbildung zu begegnen ist. Dies zeigte Jochen Raschke, der Fachbereichsleiter Weiterbildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nürnberg für Mittelfranken im letzten Redebeitrag der Beiratssitzung auf. Im ersten Moment würde die Digitalisierung häufig kritisch betrachtet - Stichwort: Jobvernichter - doch könnten aus der Digitalisierung, so Raschke, durch passgenaue Weiterbildung auch Chancen für die Beschäftigten erwachsen. Auch die Politik messe der Weiterbildung eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum gehe, Industrie, Unternehmen und Beschäftigte zukunftsfähig zu machen. Entsprechend wurde im Juni 2019 erstmals eine Nationale Weiterbildungsstrategie vorgelegt. Anhand von Ergebnissen einer Unternehmensumfrage aus dem Jahr 2018 zeigte Raschke im Beirat auf, wie stark die Bedeutung (der Weiterbildung) digitaler Kompetenzen in nur zwei Jahren aus Sicht der Unternehmen zugenommen hat, bemerkte aber auch, dass fast einem Viertel der Befragten ein Überblick über die vorhandenen Angebote fehlte. Diese Lücke wurde erkannt und von der Bayerischen Staatsregierung der Pakt für berufliche Weiterbildung 4.0 geschlossen. In diesem Zusammenhang arbeitet seit Anfang des Jahres eine Weiterbildungsinitiatorin an der IHK Nürnberg, die unter anderem trägerneutrale Weiterbildungsberatung für Einzelpersonen und für Unternehmen offeriert. Zudem biete die IHK Akademie, so Raschke selbst ein breites Kursangebot zu digitalen Basiskompetenzen und führe zahlreiche E-Learning-Projekte durch.

18. Sitzung des Bildungsbeirats

Am 24. Januar 2019 widmete sich der Bildungsbeirat im Großen Sitzungsaal des Rathauses der Bildungsintegration von Neuzugewanderten. Damit nahm der Beirat das Thema nach der Sitzung im Januar 2016 erneut in den Blick. Damals waren fast 8.000 Geflüchtete, darunter rund 500 unbegleitete Minderjährige, in Nürnberg angekommen und standen vor einer Integration ins Bildungssystem. In der 18. Sitzung des Beirats diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aller Bildungsbereiche über die aktuelle Bildungspraxis und nahmen auch Stellung zu den derzeitigen Herausforderungen für Menschen und Bildungsinstitutionen.

In seiner Begrüßung wies Oberbürgermeister Ulrich Maly darauf hin, dass die Fluchtzuwanderung zwar stark zurückgegangen sei, aus EU-Ländern jedoch nach wie vor eine große Anzahl von Menschen nach Nürnberg kommen, insbesondere aus Süd- und Osteuropa. Auch wenn viele nur zeitweilig zum Arbeiten hierherkommen, bräuchten sie und ihre Kinder vor Ort adäquate Bildungsangebote.

Der Beirat widmete sich im Folgenden der Situation in unterschiedlichen Bildungsbereichen. Dazu berichteten Expertinnen und Experten in kurzen Beiträgen über den aktuellen Stand und über Herausforderungen in den verschiedenen Bereichen. Im Mittelpunkt stand neben Spracherwerb und Übergängen zwischen den Bildungseinrichtungen jeweils auch die aktuelle Situation der Gruppe der EU-Zuwandernden.

Im ersten Redebeitrag gingen Jessica Mogavero und Julia Wojcik auf den Spracherwerb von Erwachsenen ein. Exemplarisch für viele andere erfolgreiche Initiativen und Einrichtungen in Nürnberg, die niedrigschwellig und kostenlos Sprachkurse anbieten, stellten sie die Arbeit der Johanniter-Nürnberg im First-Steps- Integrationszentrum für Flüchtlinge vor. Ausschlaggebend für den Spracherfolg sei es, immer die aktuelle Lebenssituation der Lernenden zu berücksichtigen: Gute Kinderbetreuung sowie ein Lernen ohne Druck und Sanktionen sind hier ausschlaggebend. Wünschenswert wären weiterführende oder aufeinander aufbauende Kursangebote, die von First Steps mit den derzeitigen Kapazitäten nicht angeboten werden können. Hilfreich für die Teilnehmenden wäre auch die Möglichkeit, den erreichten Sprachstand offiziell und kostenlos zertifizieren zu lassen und damit einen Nachweis für weitere Integrationsbemühungen, zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt, zu haben. Beiratsmitglieder benannten im Zusammenhang mit der erfolgreichen Arbeit der Johanniter das Dilemma, dass gute Initiativen häufig projektförmig arbeiteten und dem Angebot damit eine langfristige Perspektive und Nachhaltigkeit fehle.

Passend zum Sprachkursangebot der Johanniter berichtete Martina Schuster über die laufende Praxisforschung des Bildungsbüros zu niedrigschwelligen Sprachangeboten in Nürnberg. Bei der Arbeit am 2018 veröffentlichten Bericht zur Bildungssituation von Neuzugewanderten zeigte sich die hohe Bedeutung dieser Kurse insbesondere für Menschen ohne Zugang zu Integrationskursen. Nach dem Beschluss des Nürnberger Integrationsrats im April 2018 über die Durchführung einer Integrations- und Sprachoffensive in Nürnberg, stand die Forderung im Raum, jedem in Nürnberg neu angekommenen Menschen ein kostenloses Sprachlernangebot zur Verfügung zu stellen. Die aktuelle Praxisforschung des Bildungsbüros über niedrigschwellige Deutschlernangebote will nun aufzeigen, so Martina Schuster, welche Maßnahmen noch bei der Sprachoffensive gebraucht werden. Auch vor der Veröffentlichung des Berichts im März 2019 steht bereits fest, dass insbesondere kostengünstige oder kostenlose Angebote fehlen, die auf die Kurse zur ersten sprachlichen Orientierung aufbauen und gezielt auf einen höheren Sprachstand abzielen.

Zum Spracherwerb bei frühkindlichen Angeboten in Kindertagesstätten informierte Kerstin Schröder, Leiterin des Nürnberger Jugendamts, das, so Schröder, nach dem Prinzip der „positiven Diskriminierung“ arbeite. So existieren ergänzende Sprachprogramme, therapeutische Angebote sowie eine gezielte Begleitung der Übergänge, zum Beispiel von der Krippe in den Kindergarten oder von dort aus in die Schule. Insbesondere für Kinder von Geflüchteten gebe es eine große Anzahl spezieller Angebote, wie Eltern-Kind-Gruppen in Kindergärten, Spielgruppen in Gemeinschaftsunterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen oder Projekte zur Sprachförderung und Integration in der Kita. Obwohl ausländische Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz haben, besuchen Kinder mit Migrationshintergrund Kitas im Durchschnitt nach wie vor später und insgesamt kürzer als Kinder ohne Migrationshintergrund. Herausforderungen sind zudem eine wohnartnahe Versorgung und die „unterjährige“ Bereitstellung von Kitaplätzen. Bei Geflüchteten komme dazu eine hohe Fluktuation in den Einrichtungen durch Umzüge und Umverteilungen sowie eine Konzentration vieler Kindern mit Fluchthintergrund in einzelnen Einrichtungen, beispielsweise in der Nähe großer Gemeinschaftsunterkünfte. Mit Blick auf die EU-Zuwandernden stellte Kerstin Schröder einen erhöhten Anteil von Kindern aus östlichen EU-Ländern durch Zuzug und Geburten fest. Herausforderungen seien hier eine oft lokale Konzentration und der meist schwierige Zugang zu den Familien. Auch fehle den Eltern oft ausreichend Wissen über das deutsche Bildungssystem. Schröder berichtete, dass derzeit eine Umfrage in den Nürnberger Kindergärten zu den Erfahrungen und Bedarfen des Kita-Personals beim Thema Integration durchgeführt werde, deren Ergebnisse noch im ersten Halbjahr 2019 vorgestellt werden sollen. Auch in den Gemeinschaftsunterkünften, so ergänzte Sozialreferent Reiner Prölß, werde aktuell abgefragt, welche Bildungsbedarfe noch bestehen.

Hilde Nägele von der Nürnberger AWO ging stellvertretend für die „AG Familienbildung nach § 78“ auf Brückenangebote der Familienbildung ein, die einen frühen Einstieg ausländischer Kinder in eine Kindertageseinrichtung fördern. So sei laut Nägele, Bereichsleiterin Elternbildungsprogramme bei der AWO, über die Elternbildungsprogramme der AWO (HIPPY, PAT – Mit Eltern Lernen, Nürnberger Elternbegleiterinnen) ein schneller Zugang zu neuzugewanderten Familien möglich. Um die Menschen zu erreichen, müssen die Angebote allerdings sehr niedrigschwellig sein. Mitarbeiterinnen, die selbst einen Migrationshintergrund haben, sind dabei wichtige Türöffnerinnen und insbesondere Hausbesuchsprogramme sind gut geeignet. Oft begleiten die Mitarbeiterinnen die Eltern beim ersten Besuch von Bildungseinrichtungen oder Kindertagesstätten, wo auch Übersetzungsarbeit nötig ist. Wie Kerstin Schröder vom Jugendamt, berichtet auch Hilde Nägele, dass insbesondere im Umfeld großer Gemeinschaftsunterkünfte die Angebote der Kinderbetreuung begrenzt sind. Ausschlaggebend für den Erfolg sei auch eine intensive Netzwerkarbeit, in der alle Mitarbeiterinnen involviert sein müssen. Eine enge Kooperation finde im Netzwerk „Elternchance Nürnberg“ statt, das durch das Bundesprogramm „Starke Netzwerke Elternbegleitung für geflüchtete Familien“ durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird. In diesem Modellprojekt arbeiten die Träger AWO, Treffpunkt e.V., die Evangelische Familienbildungsstätte und der Kinderschutzbund eng zusammen und bieten Hausaufgabenbetreuung, Eltern-Cafés und den Austausch zu Erziehungsthemen. Wichtig ist auch, dass die Angebote eine hohe Flexibilität aufweisen, um wechselnden Gegebenheiten vor Ort zu entsprechen. Als wichtiges Erfolgskriterium der Elternarbeit nannte Nägele die Nachhaltigkeit der Angebote. Diese sei jedoch nicht immer gewährleistet, da die Finanzierung oft auf Projektbasis beruhe. So musste die AWO ein sehr erfolgreiches Projekt einstellen, das mit äthiopischen Familien arbeitete.

Der Leiter des Staatlichen Schulamts in Nürnberg, Thomas Reichert, speiste anschließend aktuelle Zahlen aus den allgemeinbildenden Schulen in Nürnberg ein. Von derzeit 25.575 Schülerinnen und Schülern in Grund- und Mittelschulen haben 15.131 einen Migrationshintergrund. Davon lernen derzeit 1.240 Schülerinnen und Schüler (und damit 80 Personen mehr als im Vorjahr) in 62 so bezeichneten Deutschklassen (ehemals Übergangsklassen genannt), die strategisch im Stadtgebiet verteilt seien. Im Schuljahr 2018/19 sind bisher 209 Schülerinnen und Schüler aus EU-Ländern, insbesondere aus Rumänien, Bulgarien und Kroatien in die Schulen aufgenommen worden und 164 aus anderen Ländern, davon jeweils 28 aus dem Irak und aus Syrien. Reichert ging in seinem Beitrag auch auf die konzeptionelle Weiterentwicklung der früher als Übergangsklassen bezeichneten Deutschklassen ein. In diesen Klassen sind seit diesem Schuljahr zusätzlich vier Stunden „Kulturelle Bildung und Werteerziehung“ vorgesehen sowie zwei bis acht Stunden Sprach- und Lernpraxis. Auf die Nachfrage von Oberbürgermeister Maly, ob es ausreichend Lehrerinnen und Lehrer mit Deutsch als Fremdsprache (DAZ) – Kenntnissen gebe, bescheinigte Reichert dem Lehrpersonal ausreichend Kompetenz, die sich viele Lehrenden in den letzten Jahren auch im laufenden Betrieb angeeignet hätten.

Der 3. Bürgermeister Klemens Gsell, in Nürnberg zuständig für den Geschäftsbereich Schule und Sport, nahm in der Folge Berufsbildung und Berufsorientierung in den Blick und stellte in seinem Vortrag die Berufsintegrationsklassen in den Mittelpunkt. Diese wurden in Nürnberg bereits im Jahr 2010 konzeptionell entwickelt, pädagogisch erprobt und danach als Regelangebot bayernweit eingeführt. In Nürnberg nahm die Anzahl der Klassen seitdem kontinuierlich zu, bis sie im Schuljahr 2016/17 mit 70 Klassen einen Höhepunkt erreichte. Mittlerweile erfolgte eine Reduzierung auf 36 Klassen. Dabei ist laut Gsell beobachtbar, dass sich die Herkunftsländer der Schülerschaft verändert und insbesondere der Anteil von Schülerinnen und Schülern aus europäischen Ländern zunimmt. Unterschiedliche Einmündungsperspektiven, die in der Regel vom Aufenthaltsstatus abhängen, beeinflussten zunehmend das Klassenklima. Dabei böten die Berufsfachschulen in Nürnberg eine gute Option auf einen Anschluss, da sich dort auch Jugendliche ohne Ausbildungserlaubnis zu Fachkräften qualifizieren können. So wurden an der Berufsschule 7 und an der Berufsschule 11 im aktuellen Schuljahr zusätzliche Eingangsklassen an den Berufsfachschulen eingerichtet, um alle Schülerinnen und Schüler aufnehmen zu können. Insgesamt mündeten nach dem Schuljahr 2017/18 fast die Hälfte der Absolvierenden aus den Berufsintegrationsklassen (BIK) in eine duale (23%) oder eine schulische Ausbildung (26%) ein, 13% besuchen heute eine weiterführende Schule. Abschließend ging Gsell auf das städtische Angebot SCHLAU-Ausbildungsakquisition ein, das geflüchtete Schülerinnen und Schüler aus den BIK beim Übergang in die Ausbildung unterstützt, aber aufgrund bestehender Förderrichtlinien EU-Bürger/-innen nicht helfen darf. In diesen Fällen springt derzeit städtisches Stammpersonal von SCHLAU ein, laut Gsell müsse jedoch eine Lösung gefunden werden, dass alle Zuwandernden Zugang zum Angebot der SCHLAU-Ausbildungsakquisiteure erhalten. Abschließend wies Bürgermeister Gsell noch auf die Modellprojekte SPRINT an Realschule und INGYM an Gymnasien hin, die neu Zuwandernden den Einstieg in weiterführende Schulen ermöglichen sollen.

Der Schulleiter der Berufsschule 11, Michael Adamczewski, lieferte ergänzend „gute Beispiele“ aus der Praxis. So bestand ein Fliesenleger, der die gesamte Bildungskette in der Berufsschule durchlaufen hatte, vor kurzem seine Meisterprüfung. Und ein weiterer Absolvent mit Berufsabschluss, der im Anschluss zunächst nicht arbeiten durfte, bekam nach Monaten des Wartens aktuell vom bayerischen Innenminister eine Arbeitserlaubnis.

Weiter im Lebenslauf ging Sabine Schultheiß, Geschäftsführerin des Jobcenters Nürnberg, in einem kurzen Vortrag auf die Arbeitsmarktintegration von erwachsenen Neuzugewanderten ein und stellte fest, dass in ihrem Geschäftsbereich die Integrationsquote von Ausländerinnen und Ausländern durchschnittlich höher ist, als die der Deutschen. Insgesamt betreut das Jobcenter Nürnberg derzeit 30.840 Menschen, von ihnen sind fast die Hälfte (16.070) Ausländer. Große Teile stammen aus Syrien (2.373) der Türkei (1.734), Irak (1.721) und Griechenland (1.286) und verfügen über keine abgeschlossene, in Deutschland anerkannte Ausbildung. Schultheiß stellte fest, dass das Sprachniveau der Geflüchteten mehrheitlich für den Erwerb einer Berufsqualifikation noch nicht ausreichend ist. Deswegen plant das Jobcenter Nürnberg zukünftig noch enger mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zusammenzuarbeiten und schnellere Zuweisungen in Sprachkurse durch die vom BAMF in Nürnberg neu einzurichtende Test- und Meldestelle (TUM) zu erreichen. Zudem soll Zugewanderten der Erwerb einer formalen beruflichen Qualifikation leichter zugänglich gemacht werden, etwa durch modulare Teilqualifizierungen in Kooperation mit dem Arbeitgeber mit sozialpädagogischer Begleitung und Deutschsprachförderung. Als Beispiel hierfür nannte Schultheiß das Projekt ZIEL, das derzeit gemeinsam mit den Johannitern durchgeführt werde und stufenweise zu den Berufen Pflegediensthelfer/in oder Rettungssanitäter/in qualifiziere.

Exemplarisch für die Vielzahl der Angebote der non-formalen Bildung ging abschließend Kerstin Schröder vom Jugendamt auf die offene Kinder- und Jugendarbeit ein. Die Stadt Nürnberg betreibt dazu 55 Einrichtungen (Kinder- und Jugendhäuser, Jugendtreff, Streetwork, Mobile Jugendarbeit, Aktivspielplätze), deren Angebote jährlich fast 500.000 Mal von Kindern und Jugendlichen genutzt werden. Dabei haben über 70% der Besucherinnen und Besucher einen Migrationshintergrund. Neben der Stadt Nürnberg sind hier auch über 50 Kirchengemeinden sowie 65 Jugendverbände Kinder- und Jugendgruppen aktiv. Im Ferienprogramm bzw. der Ferienbetreuung des Jugendamts gibt es zudem 9.500 Plätze pro Jahr. Schröder berichtete, dass durch die offene Kinder- und Jugendarbeit neuzugewanderte Jugendliche gut erreicht würden und ein Austausch zwischen den Besucherinnen und Besuchern auf niedrigschwelliger Basis stattfindet. Dabei ist es für das Jugendamt eine große Herausforderung, bei der Ansprache neuer Zielgruppen Verdrängungseffekte anderer Gruppe zu vermeiden

Zum Abschluss der zweistündigen Beiratssitzung kündigte die neue Leiterin des Bildungsbüros, Bettina Zauhar, die für 2019 geplante Nürnberger Bildungskonferenz an. Neben dem Ort Caritas-Pirckheimer-Haus, dem Datum 18. Oktober 2019 steht für die elfte Bildungskonferenz in Nürnberg auch das Thema „Bildung für Demokratie“ bereits fest.

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