Digitaler Zwilling der Nürnberger Innenstadt - Europäische Union förderte die Entwicklung eines geodatenbasierten Stadtmodells

Von Januar 2022 bis Juni 2023 förderte die Europäische Union (EU) das Projekt twi.N City mit 356.800 Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE). Das englische Wort „twin“ (deutsch: Zwilling) in „twi.N City“ steht für das Ziel des Projekts: Ein geodatenbasiertes Stadtmodell, auch als digitaler Zwilling bezeichnet, soll belastbare Aussagen zu Frequentierung und Attraktivität der Nürnberger Innenstadt liefern.

Summer Street 2022 in der Adlerstraße: Mobiles Grün und Sitzbänke schaffen Raum für neue Aufenthaltsqualität. Die Straße lädt zum Flanieren und Verweilen ein.

Innovative Maßnahmen zur Belebung der Innenstadt

Nürnberg hat als Shopping-Adresse nach wie vor große Strahlkraft. Sowohl Einheimische als auch Touristinnen und Touristen kennen und schätzen die vielfältigen Angebote im Zentrum. Doch auch die Nürnberger Innenstadt muss sich dem veränderten Einkaufsverhalten anpassen, um weiterhin attraktiv zu bleiben. Zur Belebung und Attraktivitätssteigerung der Nürnberger Innenstadt geht die Stadt Nürnberg sehr innovative Wege und ermöglicht beispielsweise mit der Nürnberger City Werkstatt, dass verschiedene Innenstadtakteurinnen und -akteure ihre eigenen Ideen umsetzen können. Gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken werden dadurch experimentelle, temporäre Projekte ermöglicht. Durch den experimentellen Charakter soll kurzfristig ein Beitrag zur Attraktivität geleistet und langfristig Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Maßnahmen am besten zur Innenstadtbelebung und zur Steigerung der Aufenthaltsqualität geeignet sind.

twi.N City: Belastbare Daten über die Besucherströme in der Innenstadt

Die Wirkungen von solchen oder ähnlichen Innenstadtprojekten und -events lassen sich allerdings nur schwer bewerten. Um sagen zu können, ob Projekte auch tatsächlich dazu führen, dass sich Menschen länger in der Innenstadt aufhalten oder häufiger Orte aufsuchen, die im Rahmen eines Projektes aufgewertet wurden, fehlen die Daten.

Hier sollte das EFRE-geförderte Projekt twi.N City Abhilfe und neue Erkenntnisse schaffen. Von einem interdisziplinären Projektteam bestehend aus dem Amt für Digitalisierung und Prozessorganisation (Federführung), dem Amt für Geoinformation und Bodenordnung, sowie der Wirtschaftsförderung Nürnberg unter Einbeziehung von Akteurinnen und Akteuren der Nürnberger City Werkstatt wurde im Projektzeitraum ein geodatenbasiertes Stadtmodell realisiert. Dieses verknüpft Besucherfrequenzdaten mit Parkhausbelegungsdaten sowie ÖPNV- und Wetterdaten und visualisiert diese in einem Dashboard.
Exemplarischer Ausgangspunkt für die Umsetzung und Erprobung des Projekts twi.N City war dabei das Nürnberger City Werkstatt Projekt „Summer Street“ Adlerstraße und die Fragestellung, wie eine datenbasierte Evaluation der Maßnahme ermöglicht werden kann. Technisch wurde das Dashboard auf Basis der Applikation „Dashboards“ der Firma ESRI umgesetzt, da deren GIS-Technologie bereits zentraler Bestandteil der Geodateninfrastruktur Nürnberg ist und die Visualisierungsmöglichkeiten den Nutzungsanforderungen entspricht.
Ein Screenshot des Dashboards ist in der folgenden Abbildung zu sehen. Neben der dargestellten Ansicht ergeben sich für die verwaltungsinternen Benutzenden noch weitere Auswahl- und Darstellungsmöglichkeiten, sodass diese das Dashboard zur Evaluation und zukünftigen Planungsunterstützung von Innenstadtbelebungsmaßnahmen und -events nutzen können.

Screenshot des twi.N City Dashboards

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Screenshot des twi.N City Dashboards

Die durch twi.N City gewonnenen Daten bilden die Basis, um zukünftig nicht nur Projekte der Nürnberger City Werkstatt zu evaluieren sondern vor allem um die Attraktivität des Zentrums ganz grundsätzlich langfristig zu überprüfen. Aber auch über den Erfolg einzelner Events, wie dem Bardentreffen oder der langen Einkaufsnacht, lassen sich so Rückschlüsse ziehen. Auch bei der Planung dauerhafter Maßnahmen können die Daten zukünftig helfen. So können zum Beispiel stark genutzte Bereiche ökologisch und mikroklimatisch aufgewertet und damit die Aufenthaltsqualität verbessert oder die wirtschaftliche Entwicklung schwach frequentierter Lagen durch punktgenaue Maßnahmen gefördert werden.

Keine Big-Brother-Technologie zur Erfassung personenbezogener Daten

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Im Rahmen von twi.N City werden keine Daten erfasst, die Rückschlüsse auf die Identität einzelner Personen zulassen. So erfassen die Zählpunkte an den U-Bahnstationen Lorenzkirche und Weißer Turm lediglich die Anzahl der Passagiere. Bei der Ermittlung der Besucherfrequenz von Einkaufsstraßen werden ebenfalls keine individuellen Merkmale erfasst, sondern nur die Anzahl von Menschen und zum Beispiel deren Bewegungsrichtung.

twi.N City als Baustein der Digitalen Dachstrategie

Das geodatenbasierte Stadtmodell twi.N City ist ein wichtiger Bestandteil der Digitalen Dachstrategie der Stadt Nürnberg. In der „Roadmap", dem zweiten Teil der Digitalen Dachstrategie, werden Themen und Maßnahmen aufgezeigt, die Nürnberg als digitale Stadt voranbringen. Anknüpfend an die „Roadmap“ bildet der digitale Zwilling einen Grundstein für eine sektorenübergreifende Datenstruktur sowie der anwendungsorientierten Verknüpfung von bestehenden Modellen, Daten, Sensoren und deren Nutzung für komplexe Planungsszenarien.



Ein kleines Glossar

EFRE

Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung – kurz EFRE – ist Teil der europäischen Kohäsionspolitik, einer der zentralen Politikbereiche der Europäischen Union (EU). Ziel der Kohäsionspolitik ist es, die Lebensbedingungen in den europäischen Regionen zu verbessern. Die dafür erforderlichen Investitionen stellt die EU über verschiedene Struktur- und Investitionsfonds bereit. Dazu gehört der EFRE.
Im Fokus von EFRE liegen Projekte in den Bereichen Forschung und Innovation, Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und CO2-arme Wirtschaft.
Auch in Bayern werden Projekte mit Mitteln aus dem EFRE unterstützt. In der Förderperiode 2021 bis 2027 stellt die EU dafür 577 Mio. Euro zur Verfügung.

REACT-EU

Das Programm REACT-EU (Recovery Assistence for Cohesion and the Territories of Europe) im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung soll die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Covid19-Pandemie in Europa abfedern. Diese Aufbauhilfe der EU umfasst ein Gesamtvolumen von 50,6 Mrd. Euro. Davon stehen Deutschland voraussichtlich 2,3 Mrd. Euro zur Verfügung.

EU-geförderte Projekte in Nürnberg

Im Jahr 2021 gab es bei der Stadtverwaltung Nürnberg und den Tochtergesellschaften der Stadt Nürnberg insgesamt 37 Projekte, die mit Mitteln der Europäischen Union (ko-)finanziert wurden. Das Fördervolumen belief sich auf 8,4 Millionen Euro. Davon kamen 5,7 Millionen Euro direkt von der EU; weitere 0,3 Millionen Euro steuerten der Freistaat Bayern bei und 0,7 Millionen Euro der Bund. Der Kofinanzierungsanteil der Stadt Nürnberg bezifferte sich auf 1,6 Millionen Euro.
Eine detaillierte Übersicht der EU-Projekt in Nürnberg liefert ein vom Europabüro herausgegebener Bericht. Das Europabüro ist die zentrale Anlaufstelle für EU-Angelegenheit der Stadt Nürnberg.

Digitaler Zwilling

Ein digitaler Zwilling (digital twin) ist ein virtuelles Modell, zum Beispiel eines Produkts, eines Prozesses oder einer Stadt bzw. eines Stadtteils. Digitale Zwillinge verwenden Informationen, etwa von Sensoren erfasste Verkehrsdaten wie die Frequenz der Autos oder Passanten an einem bestimmten Ort, Wetterdaten oder Daten über Abwassermengen. So verbindet ein digitaler Zwilling die virtuelle und die reale Welt. Die digitalen Abbilder der Wirklichkeit ermöglichen eine tiefgehende Analyse von Daten und vereinfachen Planungsprozesse: Mithilfe von Computersimulationen lassen sich die Auswirkungen von Veränderungen visuell darstellen und bewerten.

Nürnberger City Werkstatt

Die Nürnberger City Werkstatt (NCW) ist eine gemeinsame Initiative des Wirtschafts- und Wissenschaftsreferats der Stadt Nürnberg und der Industrie- und Handelskammer für Nürnberg und Mittelfranken. Die Akteurinnen und Akteure der NCW haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Nürnberger Innenstadt lebendiger zu gestalten. Dazu haben sie sich fünf Ziele gesetzt:
• Aufenthaltsqualität steigern
• Innovationen schaffen
• Erlebnisqualität verbessern
• Convenience erhöhen
• Innenstadtquartiere aktivieren
Die Nürnberger City Werkstatt ist ein Netzwerk, das aus verschiedenen Projektteams besteht. Koordination und Organisation liegen beim sogenannten Koordinierungskreis. Ihm gehören Vertreterinnen und Vertreter der IHK Nürnberg für Mittelfranken, der Wirtschaftsförderung der Stadt Nürnberg sowie der Congress- und Tourismus-Zentrale Nürnberg an. Im Oktober 2022 wurde die Nürnberger City Werkstatt mit dem Stadtmarketingpreis Bayern ausgezeichnet.

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