Neue Kunstwerke 2023


Heidi Sill

Das Künstlerhaus Nürnberg hat eine bewegte Geschichte, an der man exemplarisch wesentliche Momente des 20. Jahrhunderts ablesen kann. Mit der Einweihung 1910 demonstrierten die Stifter den Kunstsinn des aufstrebenden Bürgertums. Als Standort wurde der Eingang zur Stadt vom Bahnhof her gewählt da dieser als Blickachse Aufmerksamkeit generieren sollte. Im „Dritten Reich“ missbrauchten die Nazis das Gebäude um dort u.a. die Ausstellung „Entartete Kunst“ zu zeigen. Nach dem Krieg beschlagnahmten die Amerikaner das Gebäude und machten ein Offizierskasino mit Tanzbar daraus. In den 60er Jahren zog die pädagogische Hochschule ein und Mitte der 70er wurde hier eines der ersten selbst verwalteten Jugendzentren Deutschlands - das KOMM - eingerichtet. 1997 wurde das KOMM und damit die Selbstverwaltung beendet.

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Am 5. März 1981 machte das KOMM bundesweit Schlagzeilen und wurde als „die größte Massenverhaftung seit Ende des Dritten Reiches“ bezeichnet. Den Verhaftungen vorangehend kündigte der damals amtierende bayerische Innenminister Gerold Tandler an "Flagge gegen die zunehmende Eskalation des Straßenterrors" zeigen zu wollen. Von den 141 Verhafteten sollten schließlich 78 vor Gericht angeklagt werden, mindestens 63 waren also unschuldig in den Zellen gesessen. Das erste Verfahren im November 1981 wurde für die Justiz zum Desaster: Die Anschuldigungen konnten nicht belegt werden und nur drei Wochen später wurde das Verfahren „ausgesetzt“. Die Angeklagten wurden jedoch nie freigesprochen, der Eröffnungsbeschluss lediglich zurückgenommen, was eine juristische Aufarbeitung bis heute unmöglich macht.

Das Künstlerhaus zeigt heute selbst Flagge und damit ein selbstbewusstes und universelles Zeichen: Den Ort markieren, seine Präsenz nach Außen und Innen demonstrieren, seine Zugehörigkeit zeigen und auf seine Bedeutung verweisen. Ein artifizielles Symbol setzen, das die Spuren der Zeitgeschichte gelassen aufnimmt, sich nicht instrumentalisieren lässt, dabei Fragen zulässt und gleichermaßen provoziert.

Das skulpturale Objekt in Form einer im Moment „verharrenden“ Flagge zeigt die Momentaufnahme einer sich im Wind bewegenden Flagge plastisch. Flagge und Mast bilden eine farbliche Einheit, die in ihrem kräftigen und glänzenden Farbton „Hot-Pink“ ein Signal setzt: Wir sind hier, uns kann man nicht übersehen, wir sind offen, diskursiv, genreübergreifend, populär und aktuell.

Titel:

„Flagge zeigen“

Material:

Aluminium-Fahnenmast in Betonhülse, Flagge aus Epoxidharz mit Glasfaser und Metall

Abmessungen:

Fahnenmast: Gesamtlänge 8000 mm Flagge: 120 cm x 150cm x 4 cm

Aufstellung:

2022

Standort:

Künstlerhaus Nürnberg, Königstorgraben



Karsten Neumann

Bethang ist die Kunststadt, die Karsten Neumann 2002 gegründet hat. In ihr vereinen sich NürnBErg, FürTH und ErlANGen zu Bethang. Bethang zählt mit knapp 760.000 Einwohnern nach Berlin, Hamburg, München und Köln, zu den fünf größten Städten Deutschlands (Stand 2018, Quelle statista.com).
Karsten Neumann schaut in Bethang (türkisch Ve Bethang‘da) genau hin: Wo sprudeln und plätschern (oder auch nicht) öffentliche und private Brunnenanlagen?

Mit kritischem Blick zeigt Konzeptkünstler Neumann auf, wie auf verschiedenste Weise der Umgang der Kommunen, ihrer Einwohner und der Touristen mit öffentlichem Eigentum aussieht. Kritisch, humorvoll, aber auch nachdenklich - und da geht es nicht nur um Müll. In diesem Sinne ist Karsten Neumann genau der Richtige, um die 111 Brunnen in der Kunstmetropole Bethang in dieser Publikation zu würdigen. Beleuchtet wird das Buch neben einem assoziativ atmosphärischen Text des Künstlers mit Textbeiträgen des Architekturkritikers Ulrich Brinkmann (Berlin), der Kunsthistorikerin Susann Scholl mit dem Geschäftsführer Beirat bildende Kunst Andreas Wissen (NürnBErg) und mit einem Grußwort des Architekten und Stadtplaners Josef Weber (ErlANGen).

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Das Buch war Neumann ein Herzensanliegen. Dieser Fotoband des sonst überwiegend Kunststoffmüll verarbeitenden Künstlers ist ein weiterer Meilenstein für Neumanns Vision der drei Städte: Nach den mit frischem Koriander, Curcuma, Zitrone und Chili gewürzten Kalbsbratwürsten (2008-2010), den so genannten „Bethangske“, die eine kulturelle Zusammenführung verschiedener kulinarischer Traditionen bildete oder dem Bethang-Weg, ein vom Fränkischen Albverein 2019 in sein Wegeportfolio aufgenommener Rundwanderweg über 130 km, der in zehn Etappen an den Außengrenzen der drei Städte entlang führt, dem 2021 gestarteten Projekt „37 Bäume für Bethang“ und vielen regionalen und überregionalen Ausstellungen, Performances und Aktionen, die Neumann als radikale Konzeptkunst bezeichnet, ist dieses Buch ein weiterer Schritt auf dem Weg, die drei Städte miteinander zu fusionieren.

Die drei brunnen sind von links nach rechts: Schöner Brunnen, Hauptmarkt, Nürnberg Stresemannplatz brunnen, Stresemannplatz Fürth Saubrunnen im Meilwald, Erlangen

Titel:

„Ve FOUNTAIN[s| Bethang´da - Kommunale brunnen in Bethang“

Material:

Künstlerbuch, 312 Seiten, 380 Abbildungen

Format:

16 x 24 cm

Erscheinungsjahr:

2023
Erhältlich in allen Buchhandlungen und in der Kunsthalle Nürnberg


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