Das Symposion Urbanum Nürnberg 71 – Aufbruchstimmung im Dürerjahr

Skulptur aus Metal in qaudratischen Form auf einem Betonsockel

Karl Prantl, Stein zur Meditation, 1971 (Foto von 2021)


2021 feierte das Symposion Urbanum Nürnberg ´71 sein 50. Jubiläum. Es war einer der kulturellen Programmpunkte, mit denen die Stadt Nürnberg 1971 das Jubiläumsjahr anlässlich Albrecht Dürers 500. Geburtstag beging. Als „ein Arbeitstreffen von Bildhauern und Objektkünstlern aus allen Teilen der Welt, die mit der Sprache ihrer Formen, aber auch mit Worten, im Sinne Albrecht Dürers, zu dessen Festjahr, eine lebendige Verbindung zwischen dem Umweltanliegen der Stadtbewohner und den Wirkungsmöglichkeiten bewusster, moderner, künstlerischer Gestaltung herstellen wollen“, charakterisierten die Organisatoren das Projekt.

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Künstler und Künstlergruppen aus den Ländern Argentinien, Deutschland, Israel, Italien, Japan, Österreich, Polen, Spanien, und Ungarn schufen 29 Kunstwerke für den urbanen Raum, von denen heute noch 26 Arbeiten den Stadtraum in Nürnberg und Erlangen bereichern. Mit ihrer überwiegend ungegenständlichen, geometrisch-sachlichen Formensprache trugen diese Skulpturen und Plastiken zu einer öffentlichen Standortbestimmung der zeitgenössischen Kunst bei, die weit über die Grenzen Nürnbergs hinaus Beachtung fand.

Das von dem Künstler Karl Prantl und dem Galeristen Hansfried Defet initiierte Ausstellungsprojekt sollte gut 25 Jahre nach Kriegsende nicht nur das Bild eines zukunftsgewandten Nürnbergs in der Öffentlichkeit verankern; es stand auch im Zeichen der vom damaligen Kulturreferenten Hermann Glaser vertretenen Kulturpolitik, die im Geist der 68er-Bewegung von einem starken Demokratiegedanken getragen war und Kultur für jedermann zugänglich machen wollte. Das Projekt fiel aber auch inhaltlich auf bereiteten Boden: Der damalige Kunsthallendirektor Dietrich Mahlow verfolgte ab 1967 die Vision, Nürnberg zu einem Zentrum internationaler zeitgenössischer Kunst zu entwickeln. Auch die Galerie Defet und die mobilia-Galerie vertraten ab 1965 ein progressives Ausstellungsprogramm, das den Schwerpunkt auf junge zeitgenössische Positionen legte.

Darüber hinaus verzeichnete die Stadt in den 1970er-Jahren eine intensive Bautätigkeit, die sowohl Großprojekte, wie den Hafen oder den Ausbau der U-Bahn, als auch zahlreiche Neubausiedlungen umfasste. Etliche Bauträger finanzierten die Kunstwerke des Symposions als sogenannte Patenschaftsgeber und setzten auf diese Weise den Pflichtbetrag für die künstlerische Ausgestaltung von öffentlichen Neubauten ein. Der leidenschaftlichen Akquise des Galeristen Hansfried Defet, der zugleich Mitbegründer des Vereins Symposion Urbanum Nürnberg 71 war, war es zu verdanken, dass in der Kürze von knapp drei Monaten Sponsoren für die Finanzierung von 27 Werken gefunden wurden. Die übrigen Skulpturen sollten aus überschüssigen Mitteln finanziert werden. Auch ohne die großzügigen Materialspenden der beteiligten Firmen, wie die Granitwerke Henschel und Grasyma, wäre das Projekt nicht möglich gewesen. Die Stadt Nürnberg übernahm den finanziellen Beitrag für fünf Objekte an neu entstandenen Schulen im Baukastensystem in Langwasser, der Südstadt, Werderau und Reichelsdorf. Auf Initiative von Hermann Rühl, dem damaligen Leiter des Universitätsbauamtes Erlangen, unterstützte auch der Bund das Projekt und sicherte die Finanzierung der Skulpturen von Marian Bogusz und Alf Lechner auf dem Gelände der Technischen Universität in Erlangen sowie Leo Kornbrust auf dem Campus des Fachbereichs der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Nürnberg.

Die Idee, ein solch umfangreiches Ausstellungsprojekt zu veranstalten, fußte auf der Tradition der Bildhauersymposien, wie sie Karl Prantl ab 1959 in einem Steinbruch im österreichischen St. Margarethen organisierte und die sich durch das Engagement der beteiligten Künstler in einer Art Schneeballprinzip weltweit etablierten. Der Nürnberger Verein beabsichtige von Beginn an, neben den Steinbildhauern auch Plastiker und Objektkünstler einzuladen, um mit der künstlerischen Gestaltung auf den urbanen Raum zu reagieren. Dadurch war es aber vielfach nicht möglich, gemäß dem ursprünglichen Symposiongedanken, die Bevölkerung an der Entstehung der Werke teilhaben zu lassen, da vor allem die Metallarbeiten in Firmen gefertigt werden mussten und ihre Aufstellung in der Stadt oft innerhalb eines einzigen Tages abgeschlossen war.

Für viele Nürnberger*innen waren die vorwiegend abstrakten Skulpturen und Plastiken aus Stein, Holz und Metall ein Affront. Auf die Emotionalität der Debatte waren sowohl die beteiligten Künstler als auch die Organisatoren überhaupt nicht vorbereitet. Zahlreiche Kommentare in den Zettelkästen bei den Skulpturen sowie Leserbriefe in den Zeitungen zeugen von einem allgemeinen Unverständnis, das seinen traurigen Höhepunkt in der Beschädigung und Zerstörung mehrerer Kunstwerke fand. Die stärkste Aufmerksamkeit erregte die pneumatische Plastik „Wegweiser für Nürnberg“ der Künstlergruppe Haus-Rucker-Co. Der hochaufgerichtete Finger aus einem PVC-Material fiel insgesamt drei Zerstörungen zum Opfer, bis er 1979 endgültig abgebaut wurde. Die Schriftstellerin Felicitas Frischmuth, die mehrere Symposien begleitet hatte, hielt ernüchtert fest: „Solange wir auf die Wiese gehen, läßt man uns, gehen wir auf die Straße, werden wir nicht mehr akzeptiert.“

Ein halbes Jahrhundert später haben sich die Wogen allerorts gelegt. Vielmehr werden die Skulpturen heute von der Nürnberger Bevölkerung kaum mehr bewusst wahrgenommen. Das Projekt Symposion Urbanum Nürnberg möchte ein neues Augenmerk auf die Kunst im öffentlichen Raum legen und Sie einladen, diese Aufbruchszeit in Nürnberg mit all ihren Höhen und Tiefen Revue passieren zu lassen. Es möchte darüber hinaus zu der Frage anregen, wie sich die anlässlich des Symposion von 1971 zukunftsweisende Idee einer Symbiose von Kunst und Stadtraum, die seit dieser Zeit aus dem Diskurs über urbane Lebensqualität nicht mehr wegzudenken ist, heute weiterentwickeln lässt.

Susann Scholl


Künstlerliste


Karte mit historischen Standorten



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