Teesta Setalvad

Teesta Setalvad

Menschenrechtspreisträgerin Teesta Setalvad kommt aus dem Gefängnis frei

Am 14. September 2003 verlieh die Stadt Nürnberg Frau Teesta Setalvad aus Indien, für ihren bewundernswerten Mut, sich für die Rechte von diskriminierten Minderheiten, für Demokratie und Gerechtigkeit in ihrem Heimatland einzusetzen, diesen Menschenrechtspreis. Als Journalistin kämpft sie unerschrocken gegen Vorurteile, Hass und Gewalt und nutzt die Möglichkeiten von Medien, Bildung und Erziehung, um Toleranz ebenso wie interreligiöse und interkulturelle Verständigung zu fördern.

Seit Jahren setzt sie sich unermüdlich dafür ein, die Verbrechen und Mittäterschaften von hohen Beamten an den tödlichen Unruhen im Jahr 2002 im Bundesstaat Gujarat vollständig aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Dazu gehört auch der jetzige Premierminister Indiens Narendra Modi, der zu der damaligen Zeit Ministerpräsident der Region war.

Im Juni wurde die heute 60 Jahre alte Menschenrechtsaktivistin für genau ihr Engagement und Recherchen von einer Antiterroreinheit der Polizei in Gujarat verhaftet und dabei offenbar auch körperlich misshandelt. Insgesamt 70 Tage wurde ihr die Freiheit entzogen.
Am Samstag, 10.9. wurde sie aus dem Gefängnis entlassen, nachdem der Oberste Gerichtshof ihr eine Kaution gewährt hatte und sagte, die Polizei habe bereits genug Zeit gehabt, um sie zu verhören. Das Gericht sah in diesem Fall keine Straftat vorliegen, die
ihr eine Freilassung auf Kaution verwehren würde.

Die Stadt Nürnberg wird sich für Teesta Setalvad weiterhin einsetzen.

Hier geht es zum ersten Interview mit der Preisträgerin nach ihrer Freilassung.

Teesta Setalvad, Jahrgang 1962, begann 1983, nach Abschluss ihres Philosophiestudiums an der Universität Bombay, für die Hauptorgane der indischen Presse zu schreiben. Von Anfang an konzentrierte sie sich auf sozialpolitische Fragen und Randgruppen der Gesellschaft. Bei der Berichterstattung über Themen wie Dürre und die Politik der Wasserverteilung, städtische Wohnungspolitik und Armut wurden ihr Fragen nach der politischen Verantwortung und zunehmend auch nach geschlechtsspezifischer Diskriminierung zu einem besonderen Anliegen.

Folglich engagierte sie sich in der Journalistengewerkschaft “Bombay Union of Journalists” und war eine Mitbegründerin des "Women in the Media Committee" (Komitee Frauen in den Medien), ein Forum, in dem arbeitsspezifische Fragen ebenso wie Probleme allgemeiner Diskriminierung von Frauen in der Berichterstattung diskutiert werden. Die Gruppe wirkte beispielsweise an einer nationalen Protestaktion gegen die Verbrennung einer jungen Witwe bei lebendigem Leibe mit und analysierte die Berichterstattung über dieses Ereignis. Erfolgreich war auch eine Kampagne gegen die Diskriminierung von Journalistinnen durch die indische Marine.

Seit Ende der achtziger Jahre konzentriert sich Teesta Setalvad hauptsächlich darauf, die Hauptorgane der Medien zu überwachen, insbesondere deren Berichterstattung über die Politik des Hasses gegenüber anderen Religionen, die von der Hindu-Rechten propagiert wird, und über parteiische Aktionen des Staates und seiner Polizei. Nach-dem die "Bharatiya Janata Party" (BJP) in der Zentralregierung und in drei indischen Bundesstaaten an die Macht gekommen war, wurde offenbar, dass religiöse Minderheiten, Frauen und Dalits (Unberührbare) die unmittelbaren Zielscheiben der Gewalt und des Terrors werden würden. Wachsende Betroffenheit bewegte die engagierte Journalistin dazu, zusammen mit Kollegen eine Gruppe namens “Journalists Against Communalism” (etwa: Journalisten gegen religiös motivierten Hass) zu gründen. Die Gruppe brachte Fälle von Verstößen gegen die Grundsätze einer objektiven Berichterstattung durch die Hauptorgane der indischen Medien in die öffentliche Diskussion und organisierte Protest-Aktionen.

Nach der Zerstörung der Babri-Moschee in Ayodhya, einer Kleinstadt in Nordindien erreichte die Politik des Hasses in den Jahren 1992 und 1993 ihren Höhepunkt. Setalvad enthüllte in dieser Zeit Fälle eklatanter Diskriminierung von Minderheiten durch die Polizei. Diese Erfahrungen und ihr wachsender Unmut gegenüber den indischen Medien, die über die Ereignisse berichteten, ohne nach den Ursachen zu fragen, führten dazu, dass sie zusammen mit ihrem Kollegen Javed Anand "Communalism Combat" (Kampf gegen religiöse Verfolgung) startete. Die Zeitschrift will die größeren Hauptorgane der Medien überwachen, als Stimme des Gewissens und der Vernunft die Art der Berichterstattung beeinflussen und die Gründe analysieren, die hinter den Ereignissen liegen.

Neben der Leitung der Zeitschrift ist Teesta Setalvad als Pädagogin und Erziehungswissenschaftlerin tätig. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Entwicklung eines pluralistischen, nicht diskriminierenden Lehrplans und leitet das Projekt KHOJ "Education for a plural India" (Erziehungsprogramm für ein pluralistisches Indien). Dieses beschäftigt sich mit der Ausarbeitung alternativer Schulbücher für einen veränderten Lehrplan, versucht den Geschichtsunterricht zu beleben, strebt ein tieferes Verständnis für Menschenrechte und soziale Fragen an und schlägt eine grundlegende Veränderung von Struktur und Organisation der Institution Schule vor.

Teesta Setalvad hält auch regelmäßig Vorlesungen zu Menschenrechtsfragen in regionalen und nationalen Ausbildungszentren der indischen Polizei. Sie ist eine wortgewaltige Friedensaktivistin, Generalsekretärin der Menschenrechtsvereinigung "People’s Union for Human Rights" (PUHR) und kämpft mutig gegen die nukleare Bewaffnung von Indien und Pakistan. Sie hat auch folgende Projekt ins Leben gerufen: "AMAN", ein südasiatisches Studien- und Studentenaustausch-Programm, und "Peacepals", das Brieffreundschaften zwischen Kindern aus Indien und Pakistan initiiert. Sie gehört außerdem zum inneren Kreis des "Pakistan-India People’s Forum for Peace and Democracy".

Jahrelang hat Teesta Setalvad, eine Hindu-Frau, die mit einem Moslem verheiratet ist, Bedrohungen ihres Lebens und der Zeitschrift erdulden müssen, die sie mit ihrem Mann herausgibt. Würdigung findet ihr unermüdlicher Einsatz gegen Vorurteile und Diskriminierung durch zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen.

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