Im nächsten Schritt der Wärmeplanung wurde untersucht, wie der zukünftige Wärmebedarf der Stadt gedeckt werden kann. Die Potenzialanalyse erfasst dabei sowohl die Potenziale zur Senkung des Wärmebedarfs als auch die zur Verfügung stehenden nutzbaren Potenziale an erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme zur Deckung des Bedarfs. Das Wort „nutzbar“ meint, dass bestehende Nutzungsrestriktionen berücksichtigt werden. Darunter fallen z. B. das Naturschutz-, Wasser- und Denkmalschutzrecht sowie die zeitliche Verfügbarkeit und Saisonalität bestimmter Wärmequellen, außerdem bekannte zukünftige Entwicklungen, wie Ansiedelung von Betrieben oder die Dekarbonisierung der Abwärme liefernden Prozesse.
Energieeinsparpotenzial der Gebäude
Ein zentraler Hebel für die Wärmewende ist die Effizienzsteigerung im Gebäudebestand. Durch energetische Sanierungen lässt sich der Wärmebedarf erheblich senken. Auf Basis von Baualtersklassen und Gebäudenutzung wurden drei Szenarien mit unterschiedlichen Sanierungsraten und -tiefen für den Zeitraum 2025 bis 2045 entwickelt. Die Berechnungen berücksichtigen u.a. sowohl den Rückgang des Wärmebedarfs durch Maßnahmen wie Dämmung, Fenstertausch oder Dachsanierung als auch den zusätzlichen Bedarf durch Neubauten. Auch der Rückgang des Wärmebedarfs aufgrund steigender Temperaturen durch den Klimawandel werden berücksichtigt. Neben denen im Wärmeplan berechneten Szenarien werden auch bereits vorliegende Sanierungsszenarien für die Stadt Nürnberg berücksichtigt, die für den sogenannten Wärmeatlas der N-ERGIE im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie erstellt worden sind.
Die Szenarien unterscheiden sich im Ambitionsniveau – von konservativer Sanierung bis hin zu einer flächendeckend ambitionierten Strategie:
| Szenario | Jährliche Sanierungsrate | Anteil sanierter Gebäude bis 2045 | Energieeinsparung |
|---|---|---|---|
| 1 (konservativ) | 1% | 23% | 11,7% |
| 2 (moderat) | 1,9% | 43% | 24,7% |
| 3 (ambitioniert) | 2,4% | 55% | 33,6% |
| Referenzszenario Wärmeatlas | 0,9 % (WG) 1,4 % (NWG / IND) | 17,4 % | |
| Sparszenario Wärmeatlas | 1,9 % (WG) 3,4 % (NWG / IND) | 28,4 % |
Das Sparszenario Wärmeatlas wird ebenfalls im Transformationsplan der N-ERGIE als Wärmebedarfsentwicklung unterstellt und dient im Wärmeplan als Grundlage für die Entwicklung des Zielszenarios. Die folgende Abbildung zeigt den relativen Rückgang des Wärmebedarfs bis zum Jahr 2045 in den einzelnen Baublöcken.
Potenzialanalyse der Energieträger
Neben der Senkung des Wärmebedarfs ist die Erschließung lokal verfügbarer, klimafreundlicher Energiequellen ein weiterer zentraler Pfeiler der Wärmewende. Im Anschluss wurden daher die Potenziale verschiedener Energieträger systematisch erfasst und bewertet. Dabei wurde zwischen Flächenpotenzialen und Punktpotenzialen unterschieden, um deren Nutzbarkeit im Kontext zentraler und dezentraler Versorgungssysteme prüfen zu können.
- Flächenpotenziale beziehen sich auf großräumig nutzbare Quellen wie Solarstrahlung, Geothermie oder Biomasse aus land- und forstwirtschaftlichen Flächen.
- Punktpotenziale sind standortgebunden – etwa industrielle Abwärme, Kläranlagen oder Flüsse.
Die Bewertung dieser Potenziale erfolgt differenziert hinsichtlich ihrer Erschließbarkeit über zentrale Wärmenetze oder der Nutzbarkeit in dezentralen Versorgungssystemen. Entscheidend ist dabei die räumliche Nähe zum Wärmebedarf sowie die technische und wirtschaftliche Umsetzbarkeit der Erschließung. Bei der Analyse der Flächenpotenziale wird neben der Ausnahme von Restriktionsflächen ebenfalls berücksichtigt, dass aufgrund anderer Nutzungen nur ein geringer Teil tatsächlich für eine energetische Nutzung zur Verfügung steht. Für die Quantifizierung wird daher ein Landnutzungsfaktor von 2 % der identifizierten Weißfläche - also theoretisch verfügbare Fläche - angenommen.

Oberflächengewässer
Oberflächengewässer, wie Flüsse, Seen oder Kanäle, können als natürliche Wärmequellen für Großwärmepumpen genutzt werden, die eine hohe Leistung erbringen und mehrere Gebäude oder Quartiere versorgen können.
Im Falle Nürnbergs stellen Flüsse wie die Rednitz und Pegnitz natürliche, lokal verfügbare Wärmequellen dar. Zentrale Parameter für die Quantifizierung der Potenziale sind dabei das Profil der Abflussmengen und der Flusstemperatur im Jahresgang.

Für die Rednitz wurde bei einer maximalen Abkühlung des Wassers um 1° Kelvin ein theoretisches Potenzial von 534 GWh pro Jahr ermittelt. Das real nutzbare Potenzial in Wärmenetzen hängt vom Wärmebedarf, der Dimensionierung der Wärmenetze und den anderen Wärmeerzeugungen im Netz ab. Bei einer Wärmepumpenanlage, die auf maximal 110 °C im Vorlauf und 65 °C im Rücklauf konstant über das Jahr ausgelegt ist, wird eine Arbeitszahl (COP) zwischen 2,27 (Winter) und 2,76 (Sommer) erreicht. Daraus ergibt sich eine Jahresarbeitszahl von 2,4. Der Transformationsplan Fernwärme der N-ERGIE sieht eine mögliche Nutzung am Standort Gebersdorf vor, wo ein Anschluss an das Fernwärmenetz besteht. Für die Praxis geht der Plan von einem nutzbaren Potenzial von 88,5 GWh pro Jahr bei einer Heizleistung von 15 MWth aus.
Auch das Potenzial der Pegnitz wurde geprüft. Ihr theoretisches Potenzial liegt bei 344 GWh pro Jahr. Da im Stadtgebiet kein geeigneter Standort für eine zentrale Anlage verfügbar ist, wurde eine Modellrechnung mit vier dezentralen Wärmepumpen durchgeführt. Diese ergibt ein Potenzial von 115 GWh jährlich bei bis zu 21 MW.
Freiflächen-Solarthermie
Das theoretische Potenzial der identifizierten Weißflächen für die Nutzung von Freiflächen-Solarthermie zur zentralen Erschließung über Wärmenetze beträgt 3.592 GWh pro Jahr. Für eine realistische Betrachtung wird dieses Potenzial unter Anwendung des angesetzten Landnutzungsfaktors auf 72 GWh pro Jahr reduziert. Entscheidend für die Nutzung ist die räumliche Nähe zu geeigneten Wärmenetzgebieten, da die Wärmeverluste mit zunehmender Transportentfernung steigen. Für die Potenzialanalyse wurden digitale Landschaftsdaten und Wetterinformationen (z. B. Globalstrahlung, Lufttemperatur, Sonnenscheindauer) herangezogen. Ausschlusskriterien für mögliche Flächen waren u. a. Naturschutzgebiete, Überschwemmungsflächen und Bebauung.

Geothermie
Im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung wurden sowohl oberflächennahe als auch tiefe geothermische Potenziale für Nürnberg geprüft – also die Möglichkeit über Erdwärmesonden oder Grundwasserbrunnen sowie durch Tiefenbohrungen Wärme aus dem Untergrund zu gewinnen.

In Nürnberg gibt es entsprechend des Geothermischen Informationssystems in Deutschland kein nachgewiesenes oder vermutetes hydrogeothermisches Potenzial. Eine Nutzung von Tiefengeothermie ist jedoch theoretisch in sogenannten geschlossenen Systemen möglich, bei denen das Wärmeträgermedium ohne direkten Austausch mit dem Untergrund geführt wird. Die Erkundung von Tiefengeothermie ist ein aufwendiges Unterfangen. Die Nutzung als Wärmequelle für Fernwärme wird derzeit im Rahmen eines seit dem Jahr 2023 laufenden Erkundungsprojekts durch die N-ERGIE geprüft. Im Transformationsplan Fernwärme wird vorsorglich ein Potenzial von 460 GWh pro Jahr angesetzt – verteilt auf vier Anlagen mit je 15 MW. Eine abschließende Bewertung ist erst nach Abschluss der Untersuchungen möglich.
Biomasse
Biomasse ist eine vielseitige erneuerbare Energiequelle. So fallen unter Biomassepotenziale Waldrestholz, Reststoffe aus dem Ackerbau, Flur- und Siedlungsholz sowie biogene Abfälle aus Haushalten. Neben Reststoffen kann zudem noch Anbaubiomasse aus Kurzumtriebsplantagen und Energiepflanzen genutzt werden. Zudem ist für Nürnberg noch Industrierestholz und Gebrauchsholz relevant, was unter dem Begriff Altholz zusammengefasst wird. Das lokale Potenzial im Stadtgebiet lieg – je nach Quelle – zwischen 35 und 47 GWh jährlich. Eine klare Abgrenzung des lokalen Biomassepotenzials anhand der Stadtgrenzen ist nur ein Ansatz. Die Betrachtung des regionalen Biomassepotenzials ist ebenso erforderlich und Allokation auf einzelne Gemeinden und Städte wird daher ebenfalls analysiert. Durch Allokation des regionalen Waldholzpotenzials aus der Metropolregion Nürnberg anhand der Einwohnerzahlen ergibt sich daraus ein theoretisch zuordenbares Potenzial von 541 GWh pro Jahr für Nürnberg. Als weitere Quelle für die Wärmenutzung kann Altholz dienen. Nach einer Analyse der N-ERGIE zum Altholzaufkommen stehen derzeit mindestens 200.000 Tonnen Altholz pro Jahr am Nürnberger Hafen zur Verfügung. Dabei wird das Altholz aus regionalen Quellen bezogen und die Anlieferung erfolgt per Bahn. Das theoretische Potenzial daraus beträgt 268 GWh pro Jahr, wonach 139 GWh pro Jahr für die Nutzung in der Fernwärme relevant wären.
Biogas
Der Energie-Atlas Bayern weist für Nürnberg ein Biogaspotenzial für die Wärmebereitstellung von 87 GWh jährlich aus. Es stammt überwiegend aus organischem Hausmüll, Küchenabfällen und Ernte- oder Landschaftspflegegut. Da eine gezielte Erschließung zur Wärmeerzeugung derzeit nicht vorgesehen ist, wird dieses Potenzial im aktuellen Fernwärmeplan nicht als vorrangig betrachtet.
Abwärme aus Abwasser und Industrielle Abwärme
Das bei der Abwasseraufbereitung anfallende warme Wasser kann über Wärmepumpen als Energiequelle genutzt werden. Die größte Anlage Nürnbergs, die Kläranlage 1, bietet dabei ein technisch erschließbares Potenzial von bis zu 209 GWh pro Jahr. In der Praxis liegt das nutzbare Potenzial – aufgrund technischer und hydraulischer Rahmenbedingungen – bei etwa 100 GWh pro Jahr bei der Nutzung über eine zentrale Großwärmepumpe direkt am Standort.
In zahlreichen Betrieben der Stadt – von der Lebensmittelproduktion über Metallverarbeitung bis zu Rechenzentren – fällt punktuell nutzbare Abwärme an. Diese kann durch Wärmenetze oder durch interne Wärmeintegration am Standort erschlossen werden. Als Datenquelle zur Ermittlung von Abwärmequellen dient die Plattform Abwärme der Bundesstelle für Energieeffizienz, die eine detaillierte und transparente Darstellung der gewerblichen Abwärmepotenziale standortspezifisch von Unternehmen beinhaltet. Für Nürnberg wird dabei von einem Abwärmepotenzial von insgesamt 381 GWh pro Jahr berichtet. Welcher Anteil davon extern genutzt, intern verwertet oder durch Effizienzmaßnahmen verringert werden kann, muss im Detail geprüft werden. Für die Quantifizierung der Potenziale für die Fernwärmeversorgung sind durch die N-ERGIE im Rahmen der seit dem Jahr 2022 laufenden Kontaktaufnahmen mit potenziellen Abwärmelieferanten konkrete Projekte für eine mögliche Abwärmenutzung in der Fernwärme identifiziert worden. Das daraus ermittelte Potenzial beträgt 214 GWh pro Jahr.
Weitere Potenziale für Fernwärmeversorgung
Neben lokalen erneuerbaren Energiequellen – wie Oberflächengewässer und Geothermie – sind für die Dekarbonisierung der Fernwärmeerzeugung weitere Wärmeerzeuger relevant, die nur bedingt von den örtlichen Potenzialen am jeweiligen Standort abhängen.
Umgebungsluft wird über Großwärmepumpen erschlossen und kann flexibel überall dort eingesetzt werden, wo andere Quellen fehlen. Elektrodenheizkessel wiederum dienen der Spitzenlastdeckung und Versorgungssicherheit. Beide Technologien ergänzen den erneuerbaren Wärmemix und sind nur begrenzt lokal gebunden. Ein zentraler Bestandteil der derzeitigen Fernwärmeerzeugung ist zudem die thermische Abfallverbrennung: In der Anlage Sandreuth werden jährlich rund 101.222 t Abfall verarbeitet. Daraus ergeben sich 168 GWh Wärmeenergie, wovon allerdings nur der biogene Anteil des Abfalls als erneuerbare Energien angerechnet werden kann. Pauschal wird in der Bilanzierung von Abfall ein biogener Anteil von 50 % angenommen. Um eine klimaneutrale Versorgung basierend auf thermischer Abfallbehandlung zu realisieren, sind daher CO2-Abscheidungskonzepte - Carbon Capture and Storage (CCS) oder Carbon Capture and Utilisation (CCU) - erforderlich. Das gleiche gilt für sogenannte Ersatzbrennstoffe, die im Hafen von Nürnberg aus Verpackungsmüll gewonnen werden. Grundsätzlich werden Ersatzbrennstoffe nicht als erneuerbare Energien angesehen und können nur in Verbindung mit entsprechenden CCS/CCU-Konzepten eine klimaneutrale Wärmebereitstellung ermöglichen.
Als längerfristige Perspektive zur Dekarbonisierung der Fernwärmeerzeugung stellt zudem Wasserstoff eine Option dar, um Erdgas zu ersetzen. Im Jahr 2022 sind die bestehenden Gasturbinen in Heizkraftwerken durch neue ersetzt worden, die H2-ready sind und dementsprechend auch zukünftig Wasserstoff als Energieträger verwenden können. Nach den genehmigten Planungen für das Wasserstoffkernnetz ist eine Wasserstoffausspeisemenge von 1.330 GWh eingeplant (für Strom- und Wärmeerzeugung im Heizkraftwerk) ab dem Jahr 2032. Für die Dekarbonisierung der Fernwärmeerzeugung sind 480 GWh Wärme aus KWK-Anlagen und 35 GWh aus Heizkraftwerken als Potenzial durch die N-ERGIE beziffert worden.
Als weitere technische Option wird die lokale Wasserstofferzeugung im Transformationsplan Fernwärme als Potenzial diskutiert. Der mit Strom aus erneuerbaren Energien in einem Elektrolyseur hergestellte Wasserstoff könnte zur Belieferung von Industriekunden oder für die eigene Strom- und Wärmeproduktion genutzt werden. Die dabei entstehende Abwärme könnte mittels Wärmepumpe für die Fernwärme nutzbar gemacht werden – insbesondere am Standort Sandreuth, wo zusätzliche Abwärmepotenziale aus dem HWK gehoben werden können.
Potenzial dezentraler klimaneutraler Wärmeversorgung mittels Wärmepumpen
Wärmepumpen gelten als wichtige Technologie für die klimaneutrale Wärmeversorgung – insbesondere außerhalb der Fernwärmenetze. Sie nutzen Umweltwärme aus Luft, Erde oder Grundwasser und ermöglichen so bei geeigneter Gebäudeausstattung eine effiziente Beheizung und sogar Kühlung. Bei Erdwärmepumpen ist dies besonders effizient, da damit eine “passive Kühlung” realisiert werden kann, ohne dass die Wärmepumpe läuft. Bei all den Vorteilen, die Wärmepumpen bieten, muss jedoch berücksichtigt werden, dass der Einsatz von Wärmepumpen nicht in allen Gebäuden barrierefrei von statten geht.
Im Rahmen der Wärmeplanung wurde für ganz Nürnberg untersucht, inwieweit Gebäude für den Einsatz von Erd- und Luftwärmepumpen geeignet sind. Dabei wurden gebäudespezifische Faktoren sowie technologiespezifische Barrieren bewertet und in vier Kategorien (Kategorie 1: sehr gute Eignung; Kategorie 2: gute Eignung; Kategorie 3: moderate Eignung; Kategorie 4: nicht oder kaum geeignet) eingeteilt. Das Ergebnis:
- Stadtweit gelten ca. 45 % der Gebäude als gut oder sehr gut für Wärmepumpen geeignet (Kategorie 1 und 2). Diese Gebäude machen etwa 29 % des gesamten Wärmebedarfs aus.
- Etwa 18 % der Gebäude liegen in Kategorie 4 – sie sind mit erheblichem Aufwand für Wärmepumpen nutzbar. Diese Gruppe verursacht ca. 33 % des Wärmebedarfs im Stadtgebiet. Bei diesen Gebäuden handelt es sich häufig um große, unsanierte Altbauten.
- Betrachtet man nur die Gebäude außerhalb des geplanten Fernwärmeversorgungsgebiets, zeigt sich ein anderes Bild: Hier liegt der Anteil der Kategorie-4-Gebäude bei 14 %, was ca. 16 % des dortigen Wärmebedarfs entspricht.
Für Erdwärmepumpen zeigt die Analyse, dass bei etwa 50 % der Gebäude, die ca. 65 % des Energiebedarfs verursachen, das Potenzial aufgrund von Platzmangel oder Auflagen (z.B. Wasserschutz) nicht ausreicht. Die Eignung ist daher deutlich eingeschränkt.
