In Spätmittelalter und Früher Neuzeit „konnte“ Nürnberg Fastnacht. Die Stadt verwandelte sich während der närrischen Tage in eine einzige Bühne für unterschiedliche Spektakel. Zu diesem ersten Höhepunkt in noch winterlicher Zeit drängten sich die Zuschauer hinter Schranken, auf Tribünen oder an den Fenstern der anliegenden Häuser, darunter zahlreiche aus dem Umland angereiste Gäste. Die lange untergegangene Festkultur lebt in ausgewählten Handzeichnungen zu den Höhepunkten der Darbietungen wieder auf.
Ausstellung von Mittwoch, 12. November 2025 bis Samstag, 14. Februar 2026
Stadtbibliothek Zentrum, Ebene L2, Ausstellungskabinett
Gewerbemuseumsplatz 4, 90403 Nürnberg
Öffnungszeiten Mo-Fr 11-19 Uhr, Sa 11-16 Uhr,
Sonn- und Feiertage geschlossen
Der Eintritt ist frei.
Museen wirken ruhig – doch hinter ihren Mauern arbeitet ein lebendiges Netzwerk aus Forschung, Sammlung und Restaurierung. Das Format „Hinter den Museumsmauern“ öffnet selten zugängliche Bereiche: von historischen Sammlungen über die Entstehung der Ausstellung „Fastnacht in der Reichsstadt Nürnberg“ bis zu Einblicken in Werkstätten, in denen fragile Objekte bewahrt werden. Der Kurs bietet die Möglichkeit, die Verknüpfung von Kunst, Kultur und Gesellschaft kritisch zu hinterfragen und das Verständnis für Sammlungsorte wie Museen und Bibliotheken als Bewahrerinnen von Geschichte zu vertiefen.
Fastnacht in der Reichsstadt Nürnberg vor und nach der Reformation
Die Fastnacht in der Reichsstadt Nürnberg war ein vielgestaltiges Event, das nur mit Erlaubnis und Förderung des Rats stattfand. Lag keine Krisensituation vor, so verwandelte sich der Stadtraum in eine einzige Bühne für Spektakel, die in den Tagen zwischen dem letzten Sonntag der Vorfastenzeit (Sonntag Estomihi) und Aschermittwoch öffentlich aufgeführt wurden.
Zum Brauchtum mit der längsten Tradition zählen die Tänze und Umzüge der Handwerker. Erstmals 1397 bezeugt ist der Kettentanz der Metzger. Wie die Fleischhauer den Zämertanz, so führten auch die Messerschmiede den von ihnen abgehaltenen Schwerttanz auf ein Privileg Kaiser Karls IV. zurück, das ihnen für ihre Treue im Handwerkeraufstand von 1348/49 verliehen worden war. In der Nachreformationszeit entwickelten sich die Umzüge von einzelnen Handwerkskorporationen zum wichtigsten Fastnachtsevent.
Ebenso begehrt war der Fastnachtstermin für die Austragung von Turnieren auf dem Hauptmarkt samt anschließendem Tanz im Rathaussaal. 1561 endete die Tradition der vom Patriziat seit 1446 in der Stadt ausgetragenen circa 20 Gesellenstechen.
Bei weitem am besten bekannt war Nürnberg für die Schembartläufe: Maskierte (Schembart = Maske), mit Speer und Feuerwerkpistolen bewaffnete Männer rannten durch die Gassen, um den Metzgern für ihren Tanz Raum zu schaffen. Die Kostümentwürfe waren alljährlich eine Hauptattraktion, ebenso die seit 1475 mitgeführten und am Aschermittwoch auf dem Hauptmarkt erstürmten und dann verbrannten Höllen oder Fastnachtsschlitten. Nach einer Verspottung der Kirche 1539 versagte der Rat fast ausnahmslos eine Fortsetzung der seit 1449 bezeugten Schembartläufe.
Daneben spielten Narren und närrische Personen wie Bauern eine wichtige Rolle in Fastnachtsspielen, die als Possen Turniere und Tänze begleiteten oder als Schauspiele im privaten und öffentlichen Raum aufgeführt wurden.
Bild- und Textquellen zur Fastnacht in Nürnberg
Die Fastnacht ist Gegenstand von Texten wie Chroniken, Handwerkerbüchern, Lobsprüchen oder den in Ratsverlässen zusammengefassten Beschlüssen des Rats. Die Bildquellen zum Fastnachtsbrauchtum in Nürnberg entstanden mit propagandistischer Absicht im Umfeld der beteiligten Akteure vor allem im 17. Jahrhundert. Mit illustrierten Turnierbüchern schuf sich das Nürnberger Patriziat eine nachträgliche Legitimation für seine Adelsbürtigkeit. Die Turnierbücher boten einen historischen Kontext für die von 1446 bis 1561 ausgetragenen Gesellenstechen.
Seit den 1470er-Jahren beteiligten sich junge Männer aus dem Stadtadel an den Schembartläufen. Weil für die Kostüme erhebliche finanzielle Ressourcen erforderlich waren, stellte ab den 1490er-Jahren ausschließlich das Patriziat die Schembartläufer. Im Umfeld patrizischer Familien entstanden nach dem letzten Schembartlauf von 1539 Bilderchroniken, die die Gestaltung der Kostüme in einer Figur und die Wappen der Hauptleute der Läuferrotten vorstellen. Sie dokumentierten außerdem das Aussehen der von 1475 bis 1539 mitgeführten Höllen. Weitere Bestandteile dieser Schembarthandschriften sind ausklappbare Bildtafeln zum Tanz der Metzger und zur Erstürmung der Hölle von 1539. Eine im 17. Jahrhundert aufkommende Variante ergänzte Illustrationen mit Figuren aus den Vorläufen, die Nüsse oder mit Rosenwasser gefüllte Eier an das Publikum verteilten, sowie Darstellungen der zur Fastnacht aufgeführten Scherzturniere der Plattner. Eine weitere Gruppe von Bilderhandschriften bietet einen Anhang mit Klapptafeln zur von Rat und Handwerk besonders aufwendig gestalteten Fastnacht im Jubeljahr 1600: Gezeigt werden die Tänze und Umzüge der drei beteiligten Handwerke.
Fast alle der zwölf in der Stadtbibliothek erhaltenen Schembarthandschriften sind in der aktuellen und zeitgleich gezeigten Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums zu sehen (‚Fastnacht. Tanz und Spiele in Nürnberg‘, 11.11.2025 bis 15.02.2026) oder können in der ‚Virtuellen Schatzkammer‘ durchgeblättert werden.
Die Nürnberger Fastnacht in Einzelblattgrafiken
Das im 18. Jahrhundert aufblühende Interesse an der Geschichte der Stadt Nürnberg spiegelt sich nicht nur im Erscheinen von Grafikfolgen zu Brauchtum oder mit Stadtansichten wider. Ausdruck eines für die Krisenzeit bemerkenswerten Patriotismus sind die von Kaufleuten, Gelehrten oder Patriziern angelegten Norica-Sammlungen, in die nicht nur Bücher und Broschüren Eingang fanden.
Ebenfalls zusammengetragen wurden Druckgrafiken oder Handzeichnungen, aufbewahrt in loser Form oder geordnet in Klebebänden. Dafür konnten Drucke oder Handschriften geplündert und gewünschte Illustrationen ausgelöst werden.
Die aus der Übernahme solcher Norica-Bestände hervorgegangene Grafiksammlung der Stadtbibliothek mit zehntausenden von Blättern wird seit 1973 bei den Museen der Stadt Nürnberg aufbewahrt. Vor Ort verblieben sind jedoch Handzeichnungen, unter anderem zu Turnieren, Schembartläufen und Handwerkertänzen in Nürnberg. Eine Auswahl wird hier erstmals vorgestellt.
Auf eine Auslösung aus Handschriften deuten Spuren einer Heftung in der Bildmitte sowie einer Faltung an den Außenseiten. Bereits ab dem 17. Jahrhundert entstanden aber auch Kopien von Darstellungen des Handwerkerbrauchtums, häufig mit Beischriften, die als Einzelblätter in Großformaten gezielt für die Aufnahme in Norica-Sammlungen produziert wurden.





