Inklusiver Deutschspracherwerb in Nürnberg – Bildungsdate nimmt Bedarfe, Herausforderungen und erste Ansätze in den Blick
Mit der Praxisforschung im Jahr 2023 wurde klar: es gibt viel zu wenig passende inklusive Sprachförderangebote für zugewanderte Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen. Daher hat sich das Bildungsbüro mit vielen Partner/-innen auf den Weg gemacht und ein Pilotprogramm für inklusive Sprachangebote entwickelt, das eng an das kommunale Programm Deutschspracherwerb (KPDe) angebunden ist. Das BildungsDate am 8.7.2025 thematisierte erste Erfahrungen aus dem Pilotprogramm anhand zweier Praxisbeispiele.
Zunächst wurden Zahlen zu Bedarfslage und Angebotssituation inklusiver Sprachangebote in Nürnberg vorgestellt. Amtliche Statistiken liefern keine genauen Angaben zum Vorkommen von Beeinträchtigungen und Behinderungen bei zugewanderten Menschen. Daten der Kommunalen Asylunterbringung für Nürnberg zeigen, dass viele Beeinträchtigungen der Bewohnerinnen und Bewohner – insbesondere psychische – nicht ärztlich attestiert sind, was auf Herausforderungen in der Erkennung durch sprachliche Barrieren hinweist. Dagegen zeigte sich in der Praxisforschung 2023, dass die existierenden Sprachangebote Menschen mit attestierten und (bislang) nicht attestierten Beeinträchtigungen und Behinderungen kaum erreichen.
Sprachkurs für Mitarbeitende im Inklusionsunternehmen
Von einem der ersten Angebote des Pilotprogramms, einem Alpha-Plus-Sprachkurs für Menschen mit und ohne Behinderung im Inklusionsunternehmen der Pegnitz Gebäudereinigung gGmbH, berichtete Betriebsleiter Niklas Held. Er betonte den Wert des Angebots, welches seit über einem Jahr an zwei Tagen in seinem Betrieb stattfindet. Die Verbesserung des Sprachniveaus sei entscheidend für die Integration von Mitarbeitenden mit Migrationshintergrund in das Unternehmen. Doch zwischen Arbeitsalltag, individuellen Belastungen und behördlichen Anforderungen bliebe für seine Mitarbeitenden wenig Zeit für den Besuch eines Deutschkurses. In der Umsetzung habe es sich daher bewährt, ein für die Mitarbeitenden kostenloses Angebot direkt im Betrieb durchzuführen und insbesondere den Besuch des Kurses zum Teil als Arbeitszeit anzurechnen. Im Ergebnis stellte Held eine verbesserte Verständigung mit seinen Mitarbeitenden fest. Sie konnten nicht nur in Gesprächen mit ihm persönliche Informationen und Bedarfe artikulieren, sondern auch mit den Kolleg/-innen besser kommunizieren.
Projekt „All-inclusive“: Teilhabe für Drittstaatsangehörige mit Beeinträchtigungen
Die Noris-Arbeit (NOA) gGmbH setzt seit Ende 2024 das Projekt „all-in(clusive)!“ um. Es wurde auf Basis der Praxisforschung des Bildungsbüros konzipiert und wendet sich an Drittstaatenangehörige mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Es wird durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) gefördert und umfasst verschiedene Komponenten, um ihre gesellschaftliche Teilhabe ganzheitlich zu verbessern: Mittels einer Anlauf-Stelle, werden die Bedarfe erfasst und die Teilnehmenden in passende Sprachlernangebote vermittelt. Der Spracherwerb wird in inklusiven Sprachkursen, etwa für Menschen mit Lernbeeinträchtigungen durch Trauma oder Depression, und in niedrigschwelligen Gruppenangeboten wie dem Sprach- und KreativCafé, gezielt gefördert. Gleichzeitig wird ein Peer-Gesundheitsbegleiter-Pool aufgebaut. Dort informieren geschulte Zugewanderte laiengerecht über das Gesundheitssystem und Erkrankungen und vermitteln bei unterschiedlichen kulturellen Vorstellungen von Gesundheit.
Beatrice Preising, Projektleiterin von all-in(clusive), stellte bereits in vielen Projekten und Sprachkursen der NOA den großen Bedarf für ein Angebot mit inklusivem Charakter fest. Um die besonderen Problemlagen von Menschen mit Behinderung und Fluchterfahrungen zu bearbeiten und den Weg zum Spracherwerb zu öffnen, brauche es Zeit für den Vertrauensaufbau. Das Angebot stoße auf hohe Resonanz, viele Menschen suchen die offene Sprechstunde auf. Auch die Kurse in Gemeinschaftsunterkünften seien gut besucht. Hier bewähre sich ein guter Austausch mit den Asylsozialdiensten vor Ort.
Die Erfahrungen zu den Pilotprojekten bilden ein wichtiges Fundament für die Weiterentwicklung einer barrierearmen und teilhabeorientierten Sprachförderung in Nürnberg. Das Bildungsbüro begleitet diese und weitere Angebote und trägt Erkenntnisse unter anderem in die 2024 gegründete Steuerungsgruppe „Inklusive Deutschsprachangebot in Nürnberg“.
